Wie sinnvoll sind Corona-Antikörpertests?
26. Mai 2020Seit Wochen gelten in Russland strenge Ausgangssperren. Trotzdem ist die Zahl neuer Corona-Fälle wieder gestiegen - allein am vergangenen Samstag meldeten die Behörden mehr als 9400 Neuinfektionen.
Nun sollen Massentests auf Antikörper einen besseren Überblick über den Verlauf des Ausbruchs geben. Auch Italien setzt auf großangelegte Tests, um der realen Zahl der COVID-19-Infizierten auf die Spur zu kommen.
Mit den sogenannten serologischen Tests (ELISA) lässt sich herausfinden, wer bereits eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Erreger durchgemacht hat.
Dazu geben die Probanden eine kleine Menge Blut ab, die im Labor getestet wird. Der Test kann zeigen, ob spezifische Antikörper, die Immunglobuline lgM und lgG, vorhanden sind, die das Immunsystem gegen das Virus gebildet hat. Ist das der Fall, verfärbt sich die Probe.
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Herausfinden, wer bereits immun ist
Die massenhaften Antikörpertests sollen zeigen, wer bereits eine Immunität gegen COVID-19 gebildet hat. So ließen sich auch die Infizierten ausmachen, die keine oder nur geringe Symptome der Lungenkrankheit gezeigt haben und nicht wissen, dass sie bereits immun sind.
Wer bereits immun ist, könnte beispielsweise als Spender von Blutserum für COVID-19 Patienten geeignet sein. Eine solche Blutspende kann die Immunabwehr von akut erkrankten Patienten unterstützen.
Menschen mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Immunität kämen außerdem eher als Pflegekräfte für COVID-19 in Frage, weil bei ihnen die Gefahr einer erneuten Erkrankung als eher gering eingeschätzt wird.
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Gewisse Unsicherheiten
Viele Antikörpertest haben allerdings nur eine Spezifität von etwa 99 Prozent. Das mag nach viel klingen, ist in diesem Fall aber durchaus problematisch. 99 Prozent Spezifität bedeutet, dass ein Prozent der positiv getesteten Personen vielleicht gar nicht mit dem gesuchten Coronavirus infiziert war, sondern mit einem anderen Coronavirus. Virologe Christian Drosten sprach in einem Podcast für den deutschen öffentlich-rechtlichen Sender NDR über diese sogenannte "Kreuzreaktion".
In Ländern, in denen die Anzahl der COVID-19 Fälle im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sehr gering ist, wirkt sich die mangelnde Spezifität eines Tests dabei stärker aus als in Ländern, in denen schon ein sehr großer Anteil der Bevölkerung die Krankheit durchlaufen hat.
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Beispielhafte Rechenmodelle
Angenommen, ein solcher Test würde in einem Land angewandt, in dem 50 Prozent der Bevölkerung bereits infiziert sind, dann kämen auf 50 positiv getestete Personen nur eine falsch diagnostizierte. Ist aber nur einer von Tausend tatsächlich infiziert, wären von zehn positiv getesteten neun falsch diagnostiziert. Mittlerweile werben allerdings einige Hersteller von Antikörpertests mit einer Spezifität von nahezu 100 Prozent.
Russland hatte am 26. Mai 2020 nach Angaben der Johns Hopkins Universität knapp über 350.000 nachweislich Infizierte. Bei einer Bevölkerung von etwa 150 Millionen Menschen spielt die mangelnde Spezifität der Tests hier also durchaus eine Rolle.
Dennoch kann es vernünftig sein, möglichst viele Menschen zu testen, um herauszufinden, wie groß eine mögliche Dunkelziffer an Infektionen ist. Auch das kann helfen, das Infektionsgeschehen besser zu beurteilen.