Wie tief ist der OP-Sumpf?
3. August 2012Der verdächtigte Oberarzt im Organspende-Skandal an den Universitätskliniken Regensburg und Göttingen war nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" möglicherweise kein Einzeltäter. Das Blatt berichtet, dass auch nach dem Abschied des Arztes, der von 2003 bis 2008 in Regensburg arbeitete, die Zahl der Lebertransplantationen am dortigen Universitätsklinikum noch einmal drastisch anstieg: Sie wuchs binnen Jahresfrist um mehr als 40 Prozent von 48 Transplantationen im Jahr 2008 auf 69 im Jahr 2009. "Eine solche Steigerung gilt als ungewöhnlich, zumal selbst die größten deutschen Transplantationszentren nur rund 100 Lebern pro Jahr transplantieren", schreibt die Zeitung weiter.
Den Ermittlern fehlen bisher aber Anhaltspunkte für weitere Täter. Die Prüfungen stünden noch am Anfang, sagte der stellvertretende Sprecher der Staatsanwaltschaft Regensburg, Markus Pfaller. Er könne den Bericht der "Süddeutsche Zeitung" deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen. "Wir können keine Vermutungen und Spekulationen anstellen", so Pfaller.
Ärzte gegen staatliche Kontrollen
An den Uni-Kliniken in Göttingen und Regensburg sollen durch die Manipulation von Krankenakten bestimmte Patienten bei der Organspende bevorzugt worden sein. Während der Fall in Göttingen bereits länger bekannt ist, zeigte sich erst jetzt das Ausmaß in Regensburg. Dort sollen in mindestens 23 Fällen von dem Transplantationsmediziner Akten manipuliert worden sein. Dieser war an beiden Kliniken tätig gewesen. Gegen ihn wird nun wegen Bestechlichkeit und Tötungsdelikten ermittelt.
Unterdessen ist eine Debatte über die notwendigen Konsequenzen aus dem Skandal entbrannt. Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery forderte schärfere Kontrollen der Transplantationen und mehr Geld für zusätzliche Prüfer. Die Ärzte sollten die Kontrollen aber selbst übernehmen, eine von Grünen und CSU geforderte staatliche Aufsicht lehnte Montgomery in der "Welt" ab. Die ärztliche Selbstverwaltung habe ihre Aufgabe gut gemacht, durch sie sei der Skandal erst entdeckt worden.
Union für abschreckende Strafen
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) lehnte zusätzliche staatliche Kontrollen zur Vermeidung von Manipulationen ebenfalls als nicht sinnvoll ab. Vielmehr sollten die Anmeldungen auf den Wartelisten für eine Transplantation von Ärzten überprüft werden, die nichts mit Organtransplantationen zu tun haben, hieß es bei der Stiftung. Dieses Modell habe sich bei der Feststellung des Hirntods bewährt. Die in Frankfurt am Main ansässige DSO nimmt koordinierende Aufgaben in der Transplantationsmedizin wahr. So stimmt sie die Zusammenarbeit zwischen den rund 50 Transplantationszentren und den Krankenhäusern mit Intensivstation ab.
Die Union im Bundestag fordert ein hartes und konsequentes Durchgreifen im Organspenden-Skandal. Entscheidend sei, "dass jetzt endlich drastische Strafen mit erheblicher Abschreckungswirkung verhängt werden", sagte der gesundheitspolitische Sprecher Jens Spahn (CDU). Er schloss auch gesetzliche Änderungen nicht aus. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will Endes des Monats mit Vertretern Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenhäuser und Krankenkassen sowie mit Transplantationsexperten über mögliche Konsequenzen beraten.
"Die Patienten sind die Leidtragenden"
Die Skandale dämpfen nach Angaben der DSO die Bereitschaft zur Organspende. So hätten in fünf Fällen Angehörige in den vergangenen zwei Wochen in Deutschland eine Transplantation ausdrücklich mit dem Hinweis auf den Göttinger Skandal abgelehnt, sagte eine Sprecherin der Stiftung. Es sei aber noch zu früh, um zu sagen, ob die Bereitschaft zur Organspende dadurch generell weiter zurückgehe und wie stark. Ausdrücklich warnte sie aber vor Verallgemeinerungen. Das System funktioniere und beruhe auf Sicherheit, aber Kriminelle könne kein Gesetz der Welt verhindern. "Die Patienten auf der Warteliste sind darauf angewiesen. Sie sind jetzt die Leidtragenden."
sti/hp (afp, dapd, dpa rtr)