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Wie Umweltgerichte Afrika helfen können

Martina Schwikowski
5. August 2020

Umweltgerichte gibt es bisher nur in wenigen afrikanischen Ländern. Dabei könnten sie eine wichtige Rolle spielen, um Umweltvergehen zu ahnden und die Bevölkerung zu schützen. Das zeigt ein aktueller Fall aus Kenia.

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Richter am Obersten Gericht Kenias
Kenias Umweltgericht ist dem Obersten Gerichtshof (Foto) gleichgestelltBild: Reuters/B. Ratner

Phyllis Omido hat bei ihrem langen Kampf für Gerechtigkeit große Ausdauer bewiesen. Vor wenigen Wochen war er schließlich von großem Erfolg gekrönt: Das kenianische Umweltgericht verurteilte den Staat und die Eigentümer einer Batterie-Recycling-Firma, die Anwohner des Dorfes Owino Uhuru für die jahrelange Bleivergiftung zu entschädigen, die durch eine benachbarte Schmelzanlage entstanden war. Die rund 3500 Einwohner der Armensiedlung erhalten umgerechnet mehr als zehn Millionen Euro. Das Heimatdorf der Umweltaktivistin liegt nahe der Hafenstadt Mombasa. Einige Einwohner sind durch die permanente Bleibelastung gestorben, andere seit Jahren krank.

Ein Präzendenzfall

Das Urteil des kenianischen Umweltgerichts gilt als Präzedenzfall und könnte weiteren betroffenen Gemeinden helfen: Omido hat auch anderen Menschen Mut gemacht, sich gegen Umweltschäden zu wehren. Die 42-jährige Mutter reichte 2016 im Namen der Bewohner von Owino Uhuru eine Sammelklage gegen die Fabrikbetreiber ein. Zuvor hatte sie selbst in der Verwaltung der indischen Firma gearbeitet, die ihren Betrieb bereits 2014 eingestellt hatte. Dabei hatte sie ihren kleinen Sohn häufig mit ins Büro genommen. Er bekam hohes Fieber, keine Behandlung schlug an. Später stellten Mediziner fest, dass er an einer schweren Bleivergiftung litt. Untersuchungen der Dorfbewohner zogen Kreise. Nun hat das Gericht die Regierung in seinem Urteil Mitte Juli dazu verpflichtet, das verseuchte Fabrikgelände und die angrenzende Siedlung zu reinigen.

Die Umweltaktivisten Phyllis Omido aus Kenia
Phyllis Omido nahm den Kampf gegen die Umweltzerstörung in ihrem Heimatdorf aufBild: Imago Images/Zuma/J. Wakibia

Phyllis Omido konnte ihre Klage nur durchfechten, weil es dafür eine geeignete Stelle in Kenia gibt: Kenia ist das erste afrikanische Land mit einem eigenen Gericht für Umwelt- und Landfragen. Es ist formal dem Obersten Gericht gleichgestellt. "Das Umweltgericht ist ein wichtiges Werkzeug für effiziente Arbeit in einem Rechtssystem", sagt die Juristin Cindy Salim, die für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Nairobi arbeitet. "Die Spezialisierung und Fachkenntnisse eines solchen Gerichts sind hilfreich bei den zunehmenden Fällen von Rechtsstreitigkeiten in Sachen Umwelt und führen zu einer besseren Qualität bei der Urteilsverkündung. Denn ein herkömmliches Gericht verhandelt viele verschiedene Fälle und es fehlt oft an Expertise in diesen Fragen", so Salim zur DW.

In vielen afrikanischen Ländern existieren keine Umweltgerichte, weil sie nicht in der Verfassung vorgesehen sind Laut UN-Umweltprogramms UNEP existierten 2016 in fünf afrikanischen Staaten südlich der Sahara Umweltgerichte oder Tribunale auf unterschiedlichen administrativen Ebenen: Gambia, Kenia, Mauritius, Nigeria, Sudan. In weiteren Staaten sind sie im Aufbau.

Mehr Gerechtigkeit erfahren

Laut Expertin Salim hängt dabei viel von den jeweiligen Regierungen und ihrem Verantwortungsbewusstsein in Sachen Umwelt ab. Das Recht auf eine saubere Umwelt sei in vielen Verfassungen festgeschrieben.

Müll in einem Fluss in Tansania
Umweltverschmutzung ist ein großes Problem in AfrikaBild: DW/S. Khamis

Es gebe oft andere Behörden als Umwelttribunale, zum Beispiel in Tansania und Lesotho. Viele Länder verließen sich häufig auf die normalen Gerichte. Auch in Kenia gingen Kläger noch oft zu einer Regierungsbehörde, die für Umweltpolitik zuständig ist. "Die Menschen müssen stärker sensibilisiert werden für die unterschiedlichen Rollen der Institute, dann können sie die Rechtsprechung des Umweltgerichts besser in Anspruch nehmen". Aber es gebe schon öfter Fälle wie der von Phyllis Omido, in denen durch ein Gerichtsurteil Gerechtigkeit hergestellt wird.

Nutzen überwiegt Kosten

Der Vorteil solcher Gerichte liegt auch für Louis Kotzé klar auf der Hand: "Es ist ganz einfach: Sie haben mehr Zeit und eigene Mittel, sich um diese besonderen Angelegenheiten zu kümmern. Mitarbeiter sprechen mit den Menschen, untersuchen die Lage vor Ort, um sich ein Bild zu machen", sagt Kotzé. Der Professor für Umweltrecht lehrt an der Nordwest-Universität in Südafrika. In manchen Fällen seien die normalen Gerichte schon ausreichend ausgestattet, um Umweltprozesse zu verhandeln. Zum Beispiel in Südafrika. Dort sei allerdings auch das Potential für die Einrichtung von besonderen Umweltgerichten noch nicht ausgeschöpft. "Zwei Gerichte mit einem speziellen Schwerpunkt auf Umweltverfahren seien vor Jahren kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen worden – sie hatten allerdings mit der Wilderei von Seeschnecken und mit illegaler Fischerei zu tun", sagt Kotzé im DW-Interview.

Elektroschrott in Nigeria
Ohne entsprechende Gesetzte können die Gerichte nicht viel gegen Umweltverschmutzung ausrichten Bild: DW

Die Details von Umweltprozessen und die Frage, was Klimawandel verursacht seien kompliziert. Daher sollen sie aus Sicht von Kotzé auch speziellen Gerichten  überlassen werden. "Sie können die Sache gezielter angehen, können sich besser einer Konfliktlösung widmen und bieten auch eine alternative Plattform für einen einfacheren Zugang zur Justiz und schnellere Abwicklung der Klagen." Aus seiner Sicht sind Umweltgerichte extrem nützlich. Der Nutzen überwiege die Kosten. 

 "Viel hängt von der Rechtsstaatlichkeit in dem jeweiligen Land ab. Es ist sicher von Vorteil, wenn es starke Umweltgesetze gibt und die Gerichte unabhängig sind", sagt der Professor. Die größte Bedrohung komme von reichen und mächtigen internationalen Unternehmen, die von speziellen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden könnten: Indem sie über den normalen Prozess hinaus auch den Missbrauch von Menschenrechten in Betrachtung ziehen.