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Politik

Wieder knallt es in der AfD

Kay-Alexander Scholz
18. Mai 2020

Die Geschichte der AfD ist die eines fortdauernden Machtkampfes, der bislang immer mit einem Rechtsruck endete. Nun soll es in die andere Richtung gehen. Wieder rollen Köpfe - ein Überblick.

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Deutschland AfD Andreas Kalbitz
Bild: Getty Images/AFP/ R. Hartmann

Bernd Lucke, Frauke Petry: So hießen frühere Vorsitzende der 2013 gegründeten AfD, dem deutschen Pendant zum Front National oder der Lega. Sie fielen dem Machtkampf zwischen einem eher bürgerlichen und einem eher revolutionären Teil der Partei zum Opfer.

Wovor vor allem Petry gewarnt hatte, dass die AfD ins rechtsextreme Lager rutscht und damit ins Visier des Verfassungsschutzes, ist in den letzten Jahren passiert.

Nun gibt es neue Opfer - aber auf der anderen Seite. Das Prominenteste heißt Andreas Kalbitz, Landeschef der AfD im Bundesland Brandenburg. Zusammen mit Björn Höcke führt er den extremen Teil der Partei an. 

Die Arbeitsteilung funktionierte gut: Höcke schwang die Reden. Kalbitz zog im Hintergrund die Fäden, organisierte Mehrheiten für den sogenannten "Flügel" und baute die Partei im Osten des Landes zu einer 20-Prozent-Partei auf. Wobei Kalbitz - anders als Höcke - immer auch gute Verbindungen ins gemäßigte Lager hielt.

So schnell wäre Kalbitz nicht zu ersetzen

Kalbitz ist nicht irgendein Landeschef der AfD. Er wurde von Parteigründer Alexander Gauland höchstpersönlich ins Amt gehievt. Und Kalbitz hat politisches Talent. Das erkannte Gauland, der als einer der wenigen in der Partei schon über viele Jahre politische Erfahrung - in der CDU - verfügt.

Deutschland AfD Andreas Kalbitz und Björn Höcke
Kalbitz und Hocke führten bisher den extremen Teil der AfD anBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Dass der Bundesvorstand nun Kalbitz Partei-Mitgliedschaft - juristisch zumindest fragwürdig - nach einer Abstimmung mehrheitlich annullierte, zeigt übrigens auch, wie sehr Gaulands Einfluss abgenommen hat. Der jetzt 79-Jährige hatte im vergangenen Jahr den Parteivorsitz abgegeben.

Anlass für das Vorgehen gegen Kalbitz sind seine früheren aktiven Kontakte ins rechtsextreme Milieu. Darunter auch zu einer Organisation, die auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Dort sind rechtsextreme Parteien und Organisationen verzeichnet. Wer hier Mitglied war, darf nicht in die AfD.

Die zweifelhafte Vergangenheit von Kalbitz war in weiten Teilen der Partei schon früher bekannt, ohne dass ein ordentliches Parteiausschlussverfahren auf den Weg gebracht wurde. Nun aber wird er zur Etappe eines Machtkampfes, den auch der Verfassungsschutz angestoßen hat. Dort gibt es Stimmen, nicht nur Teile, sondern die gesamte Partei unter Beobachtung zu nehmen. Für viele "Bürgerliche" in der Partei wäre das ein No-Go für das eigene Image und die Karriere.

Etappen des Machtkampfs

Vor Kalbitz musste - überraschend - Pressesprecher Christian Lüth gehen. Auch das ist ein schwerer Schlag für die AfD. Lüth hatte sich in seinem Amt über Jahre gehalten - zunächst für die Partei, seit 2017 für die Bundestagsfraktion. Er kannte deshalb alle und jeden und war ein wichtiges Scharnier. Dass er ab und an über seine Familiengeschichte aus der Nazi-Zeit erzählte, war nicht neu. Nun soll er sich selbst als Faschist bezeichnet haben - es folgte der Rauswurf.

Christian Lüth, Pressesprecher der AfD
Auch Christian Lüth, der ehemalige Sprecher der AfD, musste gehenBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Zentrale Figuren des Putsches sollen unter anderem der Partei-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen und einer der Parteivizes, Beatrix von Storch, sein. Beide hatten ihre Flirts mit den Extremen in der Partei, entweder persönlich oder rhetorisch. Seit geraumer Zeit aber versuchen beide, wieder im bürgerlicheren Lager anschlussfähiger zu werden. Von Storch bearbeitet unter anderem das Thema Antisemitismus. Meuthen kämpft seit langem für ein marktorientiertes inhaltliches Profil der Partei. Ein sogenannter Sozialparteitag fiel dem Lockdown zum Opfer. Hier hätte es wohl mächtig gerumst. Meuthen trat mit einem eher elitär geprägten Rentenkonzept gegen ein sozial-völkisches Konzept von Höcke an. Dieser Kampf fiel erst einmal aus - und wird nun anders geführt. Meuthen hatte vor einigen Wochen schon einmal für Aufruhr in der Partei gesorgt, weil er eine Abspaltung des Extremen ins Spiel brachte.

Höcke will kämpfen

Der radikalere sogenannte "Flügel" ist inzwischen offiziell aufgelöst - auch das eine Folge der Arbeit des Verfassungsschutzes. Ex-Anführer Höcke, Chef der AfD in Thüringen, drohte nun damit, sich den Rauswurf von Kalbitz nicht gefallen lassen zu wollen. "Die Spaltung und Zerstörung unserer Partei werde ich nicht zulassen." Er wisse, dass "unsere Mitglieder und unsere Wähler das genau so sehen wie ich".

Ein bürgerlicher Kurs wird bei den Höcke-Leuten als strategisch unklug angesehen. Vor allem die Westverbände wollen ihn. Höcke argumentiert, das bringe der Partei nur einstellige Wahlergebnisse. Der nationalistische, radikalere Kurs im Osten dagegen führte die AfD in den Bereich einer neuen Volkspartei.

Noch ist vieles im Fluss

In der deutschen Parteienlandschaft hat sich im Zuge der Covid-19-Krise einiges verschoben. Die CDU ist raus aus ihrem 25-Prozent-Tief und kratzt mit großem Abstand zu allen anderen Parteien wieder an der 40-Prozent-Marke. Die Zustimmung zu Kanzlerin Angela Merkel ist auf Rekordniveau. Die Liberalen versuchen, ähnlich wie gerade auch die AfD, den Lockdown als überzogen darzustellen. Die Zeiten für die Opposition sind derzeit nicht rosig - und der Platz für eine weitere "bürgerliche" Partei ist kleiner geworden.

Doch auch in der CDU tobt, derzeit etwas überdeckt, ein Machtkampf, hier zwischen liberalen und konservativen Kräften. Setzen sich die Konservativen durch und geht der Machtkampf in der AfD zugunsten von Meuthen und Co. aus, dann wäre die AfD dort anschlussfähiger.

Der Rauswurf von Kalbitz könnte sich juristisch als nicht haltbar erweisen. Es könnte neue Solidarisierungen geben oder aber eine zunehmende Spaltung innerhalb der Partei. Ob dann wirklich nur ein "Wrack" übrig bleibt, wie CSU-Chef Markus Söder kommentierte, bleibt aber abzuwarten.