Wieder Massenproteste gegen Israels Regierung
23. Juni 2024Allein in Tel Aviv sollen am Samstagabend örtlichen Medienberichten zufolge mehr als 150.000 Menschen gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Regierung demonstriert haben. Es sei die größte Demonstration in Tel Aviv seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel gewesen, teilten die Organisatoren mit. Auch in Jerusalem, Haifa, Beerscheba und weiteren israelischen Städten gingen Zehntausende auf die Straßen. Sie forderten Neuwahlen und die Freilassung der Geiseln, die von der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen festgehalten werden. Die EU, die USA, Deutschland und andere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
In der Küstenmetropole Tel Aviv skandierten die Demonstranten Parolen wie "Lebendig, lebendig - und nicht in Leichensäcken". Juval Diskin, ehemaliger Leiter des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, verurteilte die Regierung bei der Kundgebung und bezeichnete Netanjahu als "den schlimmsten und am meisten gescheiterten Ministerpräsidenten in der Geschichte des Staates", wie die "Times of Israel" berichtete. Netanjahus Regierung verpasse "jede Gelegenheit zur Rückführung unserer entführten Brüder und Schwestern".
Bemühungen um Freilassung der Geiseln
Seit Monaten laufen Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten, Israels Regierung zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der Verschleppten im Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu bewegen. Im November hatte es bereits solche Austausche gegeben. Netanjahu wirft der Hamas eine unnachgiebige Haltung vor und macht sie für die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen verantwortlich. Die Hamas wiederum sieht Israel in der Pflicht. Die Hauptforderungen der Islamisten sind ein sofortiger Waffenstillstand sowie ein vollständiger Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen.
Das "Wall Street Journal" hatte jüngst berichtet, dass die Zahl der noch lebenden Entführten bei nur etwa 50 liegen könnte. Offiziell befinden sich noch rund 120 Geiseln im Gazastreifen. Die Demonstranten warfen Netanjahu vor, sich den Forderungen seiner extremistischen Koalitionspartner zu beugen und einen Deal zur Freilassung der Geiseln zu hintertreiben. Einige Minister sind gegen ein Abkommen mit den Islamisten, da es wahrscheinlich auch eine Waffenruhe und die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus Israels Gefängnissen vorsehen würde.
Vorwürfe gegen die Polizei
Bei den Massenprotesten kam es laut örtlichen Medienberichten zu Rangeleien mit der Polizei, mehrere Personen seien festgenommen worden. Berittene Beamte hätten versucht, mit ihren Pferden einige der Demonstranten auseinanderzutreiben.
Die Gewalt der Polizei bei den Demonstrationen habe "alle Grenzen überschritten", wetterte der neue Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, der frühere Vize-Generalstabschef Jair Golan, auf der Plattform X. Die Polizei dürfe nicht "zu einem Werkzeug in den Händen der korrupten und gescheiterten Regierung" werden, schrieb er.
Golan gilt seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober als Held im Land. Er hatte sich auf eigene Faust ins Gefahrengebiet begeben und half dort vielen Zivilisten, von einem Festival zu fliehen, das die Terroristen angriffen. Der Terrorüberfall war der Auslöser des Krieges.
Israels Verteidigungsminister in den USA erwartet
Derweil wird Israels Verteidigungsminister Joav Galant zu Gesprächen beim wichtigsten Verbündeten USA erwartet. Er wolle von diesem Sonntag bis Dienstag in Washington mit ranghohen Vertretern des Pentagon und des US-Außenministeriums zusammentreffen, berichtete die "Jerusalem Post".
Galants US-Reise erfolgt zu einem Zeitpunkt, da die Beziehungen zwischen Israel und der US-Regierung unter Präsident Joe Biden wegen eines Netanjahu-Videos in eine erneute Krise geraten sind. Darin hatte Israels Regierungschef die US-Regierung wegen einer zurückgehaltenen Waffenlieferung mit harschen Worten angegriffen.
US-Flugzeugträger "Eisenhower" verlässt Rotes Meer
Nach einem mehrmonatigen Einsatz als Reaktion auf den Hamas-Angriff gegen Israel haben die USA inzwischen den Flugzeugträger "Dwight D. Eisenhower" aus dem Roten Meer abgezogen. Das Schiff und der dazugehörige Verband befänden sich auf dem Rückweg in die USA, teilte das Regionalkommando Centcom am Samstag mit.
Ersetzt werde die "Eisenhower" durch den Flugzeugträger "Theodore Roosevelt" und dessen Verband, der sich den Angaben nach noch im Indopazifik befindet und kommende Woche in der Region ankommen soll. Der Einsatz erfolgt im Rahmen der multinationalen Sicherheitsinitiative "Operation Prosperity Guardian". Sie soll die Sicherheit und die freie Schifffahrt im Roten Meer und Golf von Aden sicherstellen. Dort verläuft eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten für den Welthandel. In den vergangenen Monaten hat die Huthi-Miliz im Jemen dort immer wieder zivile Frachtschiffe attackiert. Die Miliz agiert nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas in Gaza.
mak/wa/kle (dpa, rtre, afpe)