Wieder Proteste in Rumänien
3. Februar 2017In der Hauptstadt Bukarest ließen sich die Menschen nicht von den Krawallen vom Vorabend abschrecken: Der gut einen Hektar große Platz vor dem Regierungssitz war voller Demonstranten. Die Polizei machte zu Teilnehmerzahlen keine Angaben. Medien berichteten von 40.000 Teilnehmern am dritten Protesttag in Folge. Zunächst blieben die landesweiten Demonstrationen friedlich.
Die Eilverordnung der Regierung sieht unter anderem vor, dass Amtsmissbrauch nur noch dann strafrechtlich verfolgt wird, wenn die Schadenssumme mindestens 200.000 Lei (rund 44.000 Euro) beträgt. Dies soll nach Ansicht von Kritikern den Vorsitzenden der mitregierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, schützen, der wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs mit einem Schaden von 100.000 Lei vor Gericht steht.
Ministerpräsident Sorin Grindeanu, der als Dragneas Marionette gilt, lehnte am Donnerstag erneut ab, die umstrittene Verordnung zurückzunehmen. "Wir haben in der Regierung eine Entscheidung getroffen und wir werden sie vorantreiben", sagte Grindeanu nach einem Treffen seiner Partei.
Aus Protest gegen die Aufweichung der Anti-Korruptionsgesetze erklärte Handelsminister Florin Jianu seinen Rücktritt. Dies verlange sein Gewissen, schrieb er bei Facebook. Er kündigte an, weiter zu protestieren.
Präsident greift Regierung an
Rumäniens Präsident Klaus Iohannis zeigte sich "beeindruckt" von den Protesten. Am Abend zuvor hatten nach Medienschätzungen landesweit 300.000 Menschen demonstrierten. In der Hauptstadt Bukarest hatten mehrere Dutzend Randalierer inmitten friedlicher Demonstranten Polizisten mit Feuerwerkskörpern angegriffen. Iohannis warf der Regierung vor, die Krawalle nicht verhindert zu haben. "Das Innenministerium hat genau gewusst, wann wo welche Gruppen eine Auflösung der Demonstration planen", sagte Iohannis.
Innenministerin Carmen Dan erklärte, vorab nichts von geplanten Krawallen gewusst zu haben. Der Inlandsgeheimdienst SRI wiederum erklärte, er habe Informationen über Pläne zur Störung der Demonstration zum Zwecke der Diskreditierung der Proteste gehabt und diese auch dem Innenministerium weitergegeben.
Fall geht ans Verfassungsgericht
Iohannis reichte eine Verfassungsklage gegen die Regierungsverordnung ein. Der konservative Staatschef war mit dem Versprechen angetreten, das ärmste EU-Land während seiner fünfjährigen Amtszeit von Korruption zu befreien. Er fordert die Annullierung der Verordnung, bevor es "Konsequenzen" haben werde. Bereits am Vortag hatte die Justizaufsicht Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt.
Das Vorgehen der Regierung stieß auch im Ausland auf Kritik. In einer gemeinsamen Erklärung formulierten die Botschafter Deutschlands, der USA, Frankreichs, Kanadas, Belgiens und der Niederlande in Bukarest ihre Bedenken. Die rumänische Regierung unterwandere den Anti-Korruptionskampf der vergangenen zehn Jahre.
ust/stu (dpa, afp, ap)