Willkommene Hilfe - für wenige
12. Juli 2004Auch, wenn einige Entwicklungs- und Schwellenländer wie Indien oder Südafrika inzwischen Generika, also billige Nachahmermedikamente, herstellen dürfen – für viele Patienten sind und bleiben die Medikamente unbezahlbar.
Deshalb sollen Geberländer wie die USA oder die EU-Staaten mehr Geld in den weltweiten Aidsfond einbezahlen. Experten rechnen damit, dass für eine wirksame Bekämpfung der Krankheit in den kommenden Jahren bis zu 20 Milliarden US-Dollar aufgewendet werden müssen – und zwar jährlich. Bislang ist völlig unklar, wie das Geld zusammen kommen soll. "Acess for all", Zugang für alle, heißt daher das programmatische Motto der XV. Internationalen Aids-Konferenz in Bangkok.
Tabuthema Generika
Lange hatten sich die internationalen Pharma-Konzerne geweigert, überhaupt die Produktion von Generika zuzulassen. Der Sonderweg für Entwicklungsländer höre sich zwar zunächst sehr vernünftig an, so deren Argumentation, mittelfristig würden aber die Entwickler der Aidsmedikamente wirtschaftlich geschädigt und damit auch die weitere Forschung. Doch schließlich gaben die Konzerne dem wachsenden internationalen Druck nach und gaben ihre Patente begrenzt zur Herstellung von Generika frei. Länder wie China, Brasilien, Südafrika und Indien stellen jetzt billigere Medikamente für die Patienten in ihren Ländern her. Obwohl die Preise für die Wirkstoffe dadurch deutlich gesunken sind, haben noch längst nicht alle Betroffenen freien Zugang zu diesen Medikamenten. Gerade Entwicklungsländer sind chronisch unterversorgt.
Nichts funktioniert
"Weltweit benötigen sechs Millionen Menschen Behandlung. Aber nur sieben Prozent, also 400.000 Menschen, haben tatsächlich Zugang zu Medikamenten", weiß Anne von Roenne, Mitarbeiterin der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Die Gründe sind vielfältig. Häufig schaffen es die Patienten nicht, regelmäßig ihre Tabletten abzuholen, weil sie ihre Arbeitsplätze nicht verlassen können oder sich die traditionelle Lebensweise nicht an wiederkehrenden, festen Zeiten orientiert, wie es für eine kontinuierliche Behandlung nötig ist. Vor allem aber können in manchen Regionen gar nicht die Medikamente zu den HIV/Aids-Patienten gelangen. "Man braucht ein funktionierendes Gesundheitswesen", erklärt von Roenne. "Weitere Voraussetzung für die medikamentöse Behandlung ist eine gute Ernährung der Patienten. Aber viele Menschen haben nicht unbedingt eine Mahlzeit hinter sich, wenn sie die Tabletten einnehmen müssten."
Export und Import
Mit der Herstellung billigerer Medikamente allein ist es nicht getan, auch die Lebensumstände der Patienten müssten sich verbessern, um den freien Zugang tatsächlich gewährleisten zu können. Denn dass die Medikamente billiger geworden sind, bedeutet nicht, dass alle sie sich leisten können. "Die Medikamente für die individuellen Projekte müssen halt erst einmal gekauft und bezahlt werden können", sagt Katja Roll von der deutschen Aidsinitiative. "Ein Problem ist, dass die die Nachahmer-Produkte zwar direkt in den Entwicklungsländern produziert werden, aber halt auch in andere Länder exportiert werden dürfen". So bleiben sie nicht im eigenen Land, sondern müssen re-importiert werden.
Mangelnde Aufklärung und sonstige Nicht-Fortschritte
Doch selbst die medizinischen Fortschritte und die Entwicklung günstiger Medikamente konnten das rasante Ansteigen der HIV/AIDS-Fälle in den vergangenen Jahren nicht verhindern. Auch, wenn intensiv nach einem prophylaktischen Schutz geforscht wird, bislang ist kein wirkungsvoller Impfstoff gegen Aids in Sicht, die Versuchsreihen sind gescheitert. Ebenso ist die direkte Behandlung von HIV/Aids-Patienten nicht sonderlich erfolgreich. Zwar haben bislang die sogenannten anti-retro-vitalen Medikamente eine deutlich lebensverlängernde Wirkung bei HIV-Patienten gezeigt, aber immer häufiger reagieren HI-Viren resistent auf die Wirkstoffe. Vor allem in Asien und Osteuropa steigen die Infektionszahlen dramatisch an, in Afrika bleiben sie auf einem sehr hohen Stand. Doch auch in Industrieländern, darunter Deutschland, steigt die Zahl der Infektionsfälle wieder, nachdem sie jahrelang rückläufig war. Die deutsche Aidsinitiative macht dafür unter anderem eine wachsende Sorglosigkeit und schwindende Aufklärungsarbeit verantwortlich.