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Willkommenskultur oder Abschottung?

Jeanette Seiffert28. November 2013

SPD und Unionsparteien wollen die Situation der Flüchtlinge in Deutschland verbessern - so steht es im Koalitionsvertrag. Flüchtlingsorganisationen und Opposition sind skeptisch. Was bringen die Vereinbarungen?

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Ein Mann in einem Flüchtlingscamp in Berlin (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Deutschland ist ein weltoffenes Land" - so haben CDU, CSU und SPD den Teil ihres Koalitionsvertrags überschrieben, der sich mit den Themen Zuwanderung und Integration beschäftigt. Doch gilt diese Offenheit auch für Menschen, die aufgrund von Krieg, Verfolgung oder Armut nach Deutschland kommen? Etwas mehr als eine der 185 Seiten, auf denen die Grundlagen der künftigen Regierungsarbeit der geplanten großen Koalition festgehalten sind, befasst sich mit der Flüchtlingspolitik. Die meisten Neuregelungen betreffen Flüchtlinge, die sich bereits in Deutschland aufhalten.

Wenig Verbesserungen für Flüchtlinge

In den vergangenen Monaten haben immer wieder Flüchtlinge gegen ihre Situation in Deutschland protestiert. Asylbewerber harrten wochenlang in Camps im Freien aus, einige traten in den Hungerstreik. Sie forderten ein dauerhaftes Bleiberecht oder wollen auf die schwierigen Bedingungen aufmerksam machen, unter denen sie leben.

Nach Ansicht von Friedo Pflüger vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst werden sie allerdings von den angekündigten Gesetzesänderungen kaum profitieren: "Grundforderungen, die die Menschen im Hungerstreik erhoben haben, sind nicht angegangen worden." So solle zum Beispiel die Residenzpflicht, die Asylbewerbern verbietet, sich in Deutschland frei zu bewegen, in Zukunft zwar gelockert werden, aber nicht ganz wegfallen. Das heißt, die Asylbewerber dürfen sich in Zukunft im ganzen Bundesland bewegen, anstatt nur in einem bestimmten Landkreis. Auch die Praxis in einigen Bundesländern, wonach Flüchtlinge kein Geld für ihren Lebensunterhalt, sondern nur Sachleistungen erhalten, werde nicht abgeschafft.

Flüchtlinge am Brandenburger Tor (Foto: DW/L. Pitu)
Hungerstreik für ein besseres Leben: Flüchtlinge am Brandenburger TorBild: DW/L. Pitu

"Kettenduldung" von Flüchtlingen bald Vergangenheit?

Die wohl wichtigste geplante Änderung betrifft Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland leben und bislang immer nur ein vorübergehendes Bleiberecht erhielten. Sie sollen künftig ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen - unabhängig davon, wann genau sie eingereist sind. Friedo Pflüger äußerte im DW-Interview die Hoffnung, dass damit "die Zeit der Aneinanderreihung von Duldungen zu Ende ist, die in Deutschland ja oft 15, 20 Jahren lang gedauert hat".

Laut Koalitionsvertrag sollen Asylbewerber zudem schneller als bisher, nämlich schon nach drei Monaten, in Deutschland arbeiten dürfen. Friedo Pflüger ist aber skeptisch, dass das vielen Betroffenen hilft: "Das klingt erst mal gut, dass jetzt die Leute früher eine Arbeit aufnehmen können. Aber die Regelung, dass Deutsche oder EU-Bürger Vorrang haben bei den Arbeitsplätzen, bleibt nach wie vor bestehen." Damit werde es in vielen Regionen in Deutschland Asylbewerbern weiterhin unmöglich gemacht, einen Job zu finden.

Mehr Abschottung nach außen?

Wenig Zustimmung finden bei Flüchtlingsexperten auch die Passagen im Koalitionsvertrag zum Umgang mit Flüchtlingen, die noch nicht in Deutschland angekommen sind. Die grüne Europa-Abgeordnete Franziska Keller kritisiert unter anderem, dass laut Koalitionsvertrag Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sogenannte "sichere Herkunftsländer" gelten sollen und damit Flüchtlinge aus diesen Ländern in Deutschland kein Asyl bekommen können.

"Das wird einem Anspruch auf Asyl in der Europäischen Union überhaupt nicht gerecht." Keller befürchtet, dass es dabei vor allem darum geht, sich gegen die Angehörigen der Roma-Minderheit in diesen Ländern abzuschotten. Deutsche Großstädte beklagen sich bereits jetzt darüber, dass Roma, die aus Bulgarien und Rumänien einreisen, eine zu große Belastung darstellen. "Man muss immer auf das individuelle Schicksal schauen, anstatt einfach zu sagen: 'Ein paar mehr Staaten sind jetzt sicher.'"

Die grüne Europa-Abgeordnete Franziska Keller. (Foto: picture-alliance/dpa)
Asylrecht ernster nehmen: Die grüne Europa-Abgeordnete Franziska KellerBild: picture-alliance/dpa

Forderung nach legaler Zuwanderung aus Krisenregionen

Die grüne Europa-Abgeordnete hält es außerdem für nicht sinnvoll, dass die europäische Grenzschutzorganisation Frontex künftig auch dafür zuständig sein soll, Menschen zu retten, die im Mittelmeer in Seenot geraten: "Frontex hat nun mal die Aufgabe, die Migrationsabwehr zu organisieren. Wenn wir wirklich Menschen retten wollen, dann müssen wir legale Zuwanderungswege nach Europa schaffen. Dazu sehe ich allerdings nichts im Koalitionsvertrag."

Auch Friedo Pflüger vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst bemängelt, dass es keine sicheren Fluchtwege nach Europa gibt: "Und das wäre ganz dringend notwendig, wenn wir uns anschauen, dass weiterhin Menschen aus Syrien und anderswo übers Mittelmeer nach Europa kommen werden. Von ihnen werden nach wie vor viele ertrinken." Er hoffe aber, dass die neue Regierung ihr Vorhaben, mehr Flüchtlinge aus Krisengebieten aufzunehmen, ernst meint. Die Erfahrungen mit Syrien-Flüchtlingen sind für den Jesuiten-Pastor aber wenig ermutigend: Von den angekündigten 5000 Menschen seien bisher gerade einmal 1000 in Deutschland angekommen.

Flüchtlingsboot vor Lampedusa (Foto: REUTERS)
Geht das Flüchtlingsdrama weiter? Flüchtlingsboot vor LampedusaBild: REUTERS