Windkraft am Rande der Sahara
31. Mai 2004Traumschön ist die Landschaft im Norden Marokkos, östlich von Tanger, an der Straße von Gibraltar. Ab hier windet sich die Küstenstraße in die Berge. Der Bus mit der deutschen Delegation hat schwer zu kämpfen. Journalisten und Experten der Entwicklungshilfe wollen den Modellwindpark Tanger besichtigen, der im Rahmen der deutschen Finanzzusammenarbeit mit Marokko finanziert wurde. Im Jahr 2000 ist er in Betrieb gegangen - als erster Windpark Marokkos, wie Matthias Schlund von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) betont: "Er hat dazu beigetragen, dass bewiesen werden konnte, dass hier in Marokko die Nutzung von Windenergie möglich ist, und einen Beitrag dazu leisten kann, die steigende Stromnachfrage zu decken."
Wind wie mitten auf der Nordsee
Marokko besitzt ein gewaltiges Windkraftpotenzial. Warum das so ist, spürt man oben, am Fuße der Windanlagen. Das Meer ist in der Ferne zu sehen, der Wind weht mit einer Geschwindigkeit von elf Metern pro Sekunde so schnell wie mitten auf der Nordsee. Sieben von deutscher Seite finanzierte Windräder drehen sich hier. Ein Schulungszentrum gehört ebenfalls zu dem Projekt, das vier Millionen Euro gekostet hat. Rund 20.000 Menschen werden von hier mit Strom versorgt. Das Beispiel hat Schule gemacht.
Gleich nebenan ist mit französischer Hilfe mittlerweile der größte Windpark Marokkos entstanden: 84 Windräder des dänischen Herstellers Vestas erzeugen Strom für über 500.000 Menschen. Das ist rund ein Prozent
des Strombedarfs des Landes. Stefan Schmitz, Energieexperte im Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit, sieht neben den enormen
Windstärken noch andere Vorteile für die Windkraft in Marokko. Einer davon ist die extrem dünne Besiedelung der Sahara-Randgebiete. "Dort können sie größere Windkraftanlagen aufbauen, ohne unmittelbaren Einfluss auf Besiedlung und Landschaft zu nehmen", sagt Schmitz. Das verringere das Risiko von Konflikten mit Anwohnern.
Bis 2010 soll der Anteil der Windkraft an der gesamten Kraftwerksleistung Marokkos bei fünf Prozent liegen. Ein realistisches Ziel, meint auch Wolfgang Kroh, Vorstandsmitglied der KfW. Zwar verursache Windenergie normalerweise größere Kosten als konventionell erzeugter Strom. In dieser Region sei sie jedoch fast konkurrenzfähig - und dann könne der ökologische Aspekt Investoren überzeugen: "Länder wie Marokko oder Ägypten haben sehr gute Windverhältnisse. Da sind wir mit den Produktionskosten sehr nahe am kommerziellen Bereich. Das weiter zu entwickeln, ist ein wesentlicher Anlass für weitere Förderungen", sagt Kroh
Gefahr für Zugvögel
Ganz ohne Belastungen für Natur und Umwelt sind aber auch diese Windräder nicht. Von deutscher Seite ist Franz Bairlein an den Planungen beteiligt. Der Chef des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven weist besonders darauf hin, dass Marokko eines der wichtigsten Durchgangsländer für Zugvögel ist: "Windräder werden da aufgestellt, wo es am kräftigsten weht: auf Bergrücken. Die Zugvögel überfliegen diese Bergrücken sehr niedrig. So können sie in den Schlagbereich der Rotoren kommen."
Bei der Planung eines neuen Windparks im Süden Marokkos werden Bairleins Untersuchungen jetzt berücksichtigt. Mittels Radarbildern kann der Ornithologe den Vogelzug exakt berechnen. Oft genügt es, einige Windräder wenige 100 Meter zu verschieben, schon sinkt das Risiko eines Zusammenstoßes. Insgesamt zieht er ein positives Fazit der Zusammenarbeit mit den marokkanischen Behörden. Nach anfänglichem Zögern seien seine Argumente gehört worden. Nicht selbstverständlich in einem Land, dessen Umweltbewusstsein nicht besonders hoch entwickelt ist.