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Windkraft-Ausbau: Millionen Jobs weltweit

26. Dezember 2021

1,3 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Windbranche. Künftig werden fünfmal mehr Fachkräfte gebraucht, denn immer mehr Windräder helfen beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Auch Quereinsteiger sind willkommen.

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Zwei Techniker bei Wartungsarbeiten auf einer Windkraftanlage
Jobs mit guten Aussichten: Die Windkraftbranche bietet viele neue ArbeitsplätzeBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

"Oben auf dem Dach ist die Aussicht überwältigend. Gerade an sonnigen, kalten Wintertagen hat man eine klare Sicht", sagt Tim Schmolowski. In 60 bis 140 Meter Höhe kümmert er sich um Wartung und Reparatur von Windrädern. 2015 sah der ausgebildete Mechaniker eine Stellenannonce bei einer Wartungsfirma für Windanlagen in Erkelenz bei Köln. "Das klingt gut, dachte ich. Sicher ein Job mit Zukunft, und dann habe ich mich darauf beworben." Schmolowski bekam den Job, Höhenangst hatte er nicht. Doch eine zweiwöchige Schulung in Sicherungstechnik war vor dem ersten Einsatz wichtig: "Man muss bei der Arbeit konzentriert sein und darf den Respekt nicht verlieren."

Seine Firma, die "Deutsche Windtechnik", hat inzwischen mehr als 2000 Mitarbeiter. Weltweit arbeiten bereits mehr als 1,3 Millionen Menschen in der Windbranche - durch den zunehmenden Ausbau wächst auch der Bedarf an Fachkräften. Die meisten Jobs gibt es weltweit bei der Planung von Windparks und im Anlagenbau (600.000), bei der Konstruktion von Turbinen, Flügeln und Turmteilen in den Fabriken sind es 440.000 und rund 220.000 im Bereich Wartung und Betrieb.

Wartungstechniker Tim Schmolowski steht in Arbeitsmontur am Fuß einer Windkraftanlage vor dem Firmenwagen
Wartungtechniker für Windanlagen Tim Schmolowski Bild: Deutsche Windtechnik

In Altanlagen muss Schmolowski noch eine Leiter in den Türmen hochklettern, etwa 60 Meter hinauf. Die meisten neueren Anlagen haben Aufzüge, die gut 100 Meter in die Höhe fahren, das erleichtert den Zugang für die Wartung von Windkraftnabe, Getriebe und Stromgenerator. Dabei ist ein breites Fachwissen wichtig. "Bei älteren Anlagen ist viel Mechanik verbaut. Bei modernen Anlagen verschwindet die immer mehr und wird durch Elektronik ersetzt", so der 33-Jährige. Er selbst habe in den letzten sechs Jahren viel dazugelernt, sagt er. Anfangs etwa habe er noch keine Ahnung von Elektrotechnik gehabt.

Die Servicetechniker arbeiten immer zu zweit, ein erfahrener Kollege lernt dabei Neueinsteiger an. Vorrang haben aktuelle Störungen, danach geht es um planmäßige Kontrollen und den Austausch von Verschleißteilen, fast "wie beim Auto", so Schmolowski.

Servicetechniker bei Wartungsarbeiten auf einer Windturbine in Marokko - Luftaufnahme von oben mit Blick in die Gondel
In 80 Metern Höhe: Techniker warten Sensoren, Stromgenerator und GetriebeBild: Siemens Gamesa

Fernwartung über Kontinente

Ob es eine Störung in einer Windanlage gibt, erfahren Scholowski und seine Kollegen von der Fernleitwarte. Die steht gut 400 Kilometer nördlich von Erkelenz, im kleinen Ort Ostenfeld an der Grenze zu Dänemark. Rund um die Uhr überwachen von diesem Kontrollzentrum aus mehrere Mitarbeiter über 6000 Windkraftanlagen zu Land und im Meer in ganz Europa, ebenso wie in den USA und Taiwan.

Über Glasfaserkabel oder Modem sind heute fast alle großen Windräder mit solchen Kontrollzentren verbunden. Betrieben werden sie von den Anlagenherstellern, großen Stromkonzernen oder Wind-Unternehmen. Bei einer Störung erscheint ein Alarmzeichen auf den Monitoren der Leitwarte. 

"Da steht dann welcher Windpark, welche Anlage und was für ein Fehler vorliegt. So wissen wir welche Störung es ist, können uns dort einwählen und von hier aus eingreifen", erklärt André Klatt, Teamleiter in der Ostenfelder Leitwarte. 80 Prozent der Störungen kann Klatts Team innerhalb von zwei Stunden selber beheben. Dann werden die Anlagen aus der Ferne von der Leitwarte neu gestartet und produzieren wieder Strom. Klappt das nicht, werden Servicetechniker vor Ort wie Schmolowski und seine Kollegen aktiv.

Leitwarte für Windkraftanlagen in Ostenfeld: Vier Personen sitzen vor Computermonitoren in einem Großraubüro
Fernwarte für 6000 Windräder weltweit: André Klatt (v.r.) und Kollegen beheben die meisten Störungen per MausklickBild: Dominik Obertreis/Deutsche Windtechnik

Arbeitskräfte dringend gesucht

Wie viele Firmen in der Windbranche ist auch die Deutsche Windtechnik in den letzten Jahren enorm gewachsen ist. Derzeit werden über 200 neue Mitarbeiter im In- und Ausland gesucht. Geschäftsführer Matthias Brandt rekrutiert vor allem Bewerber mit Erfahrungen in der Windtechnik, Mechaniker oder Elektriker, aber auch Quereinsteiger - zum Beispiel aus Autowerkstätten.

"Kommt alle in die Windbranche" empfiehlt Brandt vor allem jungen Menschen, die Aussichten seien gut. "Es ist eine Kombination aus toller Technik und es ist super spannend. Ein bisschen Abenteuer draußen und noch ein bisschen mehr Abenteuer bei Offshore-Anlagen mit der ganzen Schiffslogistik", erzählt Brandt der DW.

Nach Angaben der internationalen Agentur für Erneuerbare Energien arbeiten derzeit die meisten Mitarbeiter in der Windbranche in Asien, vor allem in China (550.000) und Indien (40.000). In Europa sind es rund 340.000 Beschäftigte, besonders viele davon in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Dänemark und den Niederlanden. Auch in Nord- und Südamerika wächst die Zahl der Jobs in der Windkraft, in den USA , sind es schon rund 120.000, in Brasilien 40.000 und 20.000 in Mexiko. In afrikanischen Ländern lohnt sich Windkraft nicht überall, aber auch dort gibt es rund 40.000 Beschäftigte in der Branche. 

Montage eines Rotorblatts an einer Windkraftnabe in einem Offshore-Windpark in der Provinz Jiangsu in China
Präzision, Planung und viel Logistik: dafür werden viele Arbeitskräfte gebraucht, vor allem in ChinaBild: Huang Hai/Photoshot/picture alliance

Und überall entstehen durch den Ausbau der Windkraft in den nächsten Jahren viele neue Jobs für Planung, Anlagenbau und Betrieb. 2020 waren Windkraftanlagen mit einer Leistung von 743 GW weltweit installiert, 2050 könnten es rund 8000 Gigawatt sein  – das entspricht laut einer Studie der LUT in Finnland rund 6,5 Millionen Jobs, etwa zwei Millionen davon für die Wartung und Reparatur.

"Jetzt werden dringend Fachleute quer durch die gesamte Branche gebraucht", so Herman Albers, Präsident des deutschen Bundesverband WindEnergie.

Infografik Millionen Jobs durch Windkraft global Projekt bei Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels

Mit Eigeninitiative zum Job

Auch Tim Schmolowski in Erkelenz freut sich über die steigende Zahl neuer Kollegen. "Der Markt wächst, die Firma wächst und wir suchen immer neue Mitarbeiter, die Lage ist extem." Einige der 23 Monteure in seiner Zweigstelle kommen ursprünglich aus anderen Berufen, auch Lackierer und Maler sind dabei.

Er empfiehlt jedem Interessierten die Suche per Internet: "Was gibt es für Wind-Firmen, wo sind sie, arbeiten sie sogar international? Und wenn es keine ausgeschriebenen Stellen gibt: eine Initiativbewerbung schicken oder anrufen." Viel Eigeninitiative sei entscheidend. "Man muss Lust auf den Job haben, Lust sich weiterzuentwickeln. Sonst funktioniert es einfach nicht."

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion