"Wir sind überzeugt von Griechenland"
9. Mai 2016Deutsche Welle: Für ausländische Investoren gilt Griechenland derzeit als eine No-Go-Area. Das Land befindet sich seit sechs Jahren in einer Rezession. Die ProCredit Bank eröffnet trotzdem in Thessaloniki eigene Filialen. Warum?
Claus-Peter Zeitinger: In Thessaloniki ist Produktion. Und zwar eine, die sich auf dem europäischen Markt bewährt hat. Vom Agrarbereich will ich gar nicht reden, der ist ebenfalls sehr fortschrittlich. Ich bin aber auch ein politisch denkender Mensch und möchte deshalb auch Zeichen setzen. Ich habe nicht vor, mich für das übliche Griechenland-Bashing einnehmen zu lassen. Ich will Geschäfte machen und gleichzeitig wollen wir uns langfristig, nachhaltig verhalten. Ich glaube nicht, dass wir in Griechenland wahnsinnig viel verdienen werden. Aber wir wollen sagen: das ist Europa und da sind wir auch.
Das hört sich nach einem philanthropischen Ansatz an. Dabei verdienen Sie durchaus Geld - 2015 rund 20 Prozent Gewinn vor Steuern. Sie wollen doch als Bank auch in Griechenland Geld verdienen oder?
Das kann man so sagen. Ich will auf jeden Fall Gewinn machen. Ich möchte nichts anfangen, dass mit Philanthropie verwechselt wird. Aber ich möchte trotzdem etwas Vernünftiges tun. Ich gehe nicht überall hin. Aber nach Griechenland gehe ich, weil ich davon auch ökonomisch überzeugt bin.
Normalerweise eröffnet die ProCredit Holding ihre Filialen in dem Land, wo sie ohnehin aktiv ist. Die Filialen in Thessaloniki sollen aber Niederlassungen der bulgarischen ProCredit Bank sein. Trauen Sie den Griechen nicht oder warum so ein Modell?
Nein, darum geht es nicht. Wenn sie eine Bank eröffnen, brauchen Sie eine große Infrastruktur, etwa 50 Spezialisten, die alle Geschäfte abdecken können. Das würde hohe Kosten bei nur langsam steigenden Erträgen bedeuten. Wenn wir die bulgarische Bank nach Griechenland expandieren lassen, gehen wir Schritt für Schritt ins kalte Wasser und riskieren nicht zu viel. Ich will nicht ausschließen, dass wir bei guter Geschäftsentwicklung auch über eine eigenständige griechische Bank nachdenken, aber nicht gleich zu Beginn.
Schon vor der Krise haben griechische Banken eine restriktive Kreditpolitik verfolgt. Mittlerweile bekommen nicht einmal gesunde Unternehmen einen Kredit. Heißt das, sie konzentrieren sich auf diese Firmen?
Da ist schon etwas dran. Die Schwäche der gegenwärtigen griechischen Banken ist - wenn ich es so formulieren darf - natürlich auch eine Einladung. Das lässt uns Möglichkeiten und Chancen, die wir in einem viel ruhigeren Markt vielleicht nicht hätten. Wenn man mich fragen würde, warum gehst Du nicht nach Ungarn oder Polen, würde ich sagen: weil der Markt dort gut funktioniert. Unsere Chance ist am größten dann, wenn es Verwerfungen und Widersprüche gibt. Als kleiner Fisch kann man sich in diesem Wasser besser bewegen.
Wo sehen Sie die wettbewerbsfähigen griechischen Firmen?
Ehrlich gesagt überall. Man muss nur die Augen aufhalten und die Firmen besuchen. Ich hatte zuletzt ein griechisches Unternehmen besucht, dass Tripple-Fenster gebaut hat - genauso gut wie jedes Unternehmen in Deutschland. Sie hätten einen Auftrag aus Deutschland bekommen, wenn ihnen eine Bank wenigstens eine Garantie zur Verfügung gestellt und kurzfristig das Umlaufkapital finanziert hätte. Ich hätte das fast aus der Westentasche machen können, aber wir hatten keine Lizenz, wir konnten nichts tun. Da gibt es also 40 Arbeiter, die keinen Job haben und einen Auftrag aus Deutschland von einem guten Unternehmen. Die griechische Firma hätte mehrere Hunderte Dreifachfenster für eine Wohnsiedlung liefern können. Wenn es das Unternehmen noch gibt, was ich hoffe, wird es jetzt den Kredit bekommen.
Sie vergeben Kredite an kleine und mittlere Unternehmen. Wie klein darf es sein und wie sind die Konditionen?
Es geht um die Bandbreite von 30 Tausend bis drei Millionen Euro. Dieses Geld haben wir in Griechenland nicht als Depositen sammeln können. Bei der Liquidität helfen unsere bulgarischen Kollegen und die ProCredit Holding in Frankfurt. Falls irgendeiner denken würde, jetzt kommen die Blutsauger nach Griechenland, dann sage ich: Das Blut bringen wir sozusagen mit. Wir verteilen es an viel versprechende Unternehmen, die dann hoffentlich mehr Arbeitsplätze bereitstellen - das ist für uns durchaus ein Kriterium für die Geldvergabe. Bei meinem letzten Besuch in Griechenland zahlte man für Kredite sieben Prozent. Wir nehmen rund vier, viereinhalb Prozent.
Claus-Peter Zeitinger ist Aufsichtsratschef und größter Anteilseigner der ProCredit Holding. In Deutschland und in 13 Ländern Osteuropas, des Balkans und Südamerikas betreibt sie rund 400 Filialen mit etwa 5.000 Beschäftigten.
Das Gespräch führte Panagiotis Kouparanis