Wirtschaftliche Folgen der Vogelgrippe nicht absehbar
17. Februar 2006Die "Süddeutsche Zeitung" spricht von einer "Hühner-Psychose" in Italien. Acht von zehn Italienern äßen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem auch für Menschen gefährlichen H5N1-Virus kein Geflügel mehr. 30.000 Stellen seien in den letzten Monaten als Folge dieser Angst verloren gegangen. Die Schäden beliefen sich auf 600 Millionen Euro, heißt es weiter.
"So einen Schmarrn brauchen Sie nicht zu glauben", sagt Bernd Adleff, der Vorsitzende des Bayerischen Geflügelverbandes. Zwar seien die Kunden verunsichert und hielten sich beim Kauf von Geflügelprodukten etwas zurück. Er glaubt aber nicht an einen langfristigen Schaden für die Geflügelwirtschaft: "Das sind alles nur Trend- und Mode-Erscheinungen. Der Verbraucher vergisst ganz schnell."
Angst lähmt
Georg Alpers, Psychologe an der Universität Würzburg, warnt davor, "das Ganze zu hoch zu kochen." Der Psychologe erklärt, wie sich die Angst beim Verbraucher bildet: "Vielfach sind es einfach Unsicherheiten, die dadurch entstehen, dass in der Presse sehr viel über mögliche Gefahren berichtet wird", so Alpers. "Wir wissen im Moment nicht, was die konkreten Gefahren sind und wie wir uns vor eventuellen Gefahren schützen könnten." Adleff formuliert die Verantwortung der Medien drastischer: "Uns tut das weh, dass die Medien pausenlos über diesen Schrott berichten. So hat der Verbraucher den Eindruck gewonnen, er ist höchst gefährdet. Was falsch ist."
Noch keine Zahlen
Offizielle Zahlen über die wirtschaftlichen Folgen der Vogelgrippe in der EU lägen noch nicht vor, sagt Michael Mann, Pressesprecher der EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Físcher-Boel. "Wir haben Zahlen, die uns erste Hinweise geben. Einzelne Mitgliedsstaaten haben uns von einem Rückgang des Geflügelkonsums von ungefähr 15 Prozent berichtet", sagt Mann. Die Stallpflicht könnte wirtschaftliche Auswirkungen haben bei Landwirten, die ihr Geflügel mit dem Siegel der Freilandhaltung vertreiben. In Deutschland ist sie am Freitag (17.2.2006) in Kraft getreten. "Aber wir haben bisher immer sehr pragmatische Lösungen gefunden, damit sie ihr Fleisch wie bisher vermarkten dürfen", versichert Mann. So darf dann eben auch Freilandgeflügel im Notfall - wie jetzt - im Stall gehalten werden, ohne dass die Bauern um ihr Siegel fürchten müssen.
Die EU hilft
Insgesamt könne die Europäische Union der Geflügelindustrie aber nur in sehr begrenztem Rahmen helfen, sagt Mann. Die Verbraucher müssten darüber aufgeklärt werden, dass sie sich nicht mit der Vogelgrippe anstecken können, wenn sie in einen Laden gehen und Geflügel kaufen. In der EU werde nur sicheres Fleisch vertrieben. Die Standards in der EU seien da sehr streng, betont Mann. Bricht die Krankheit auch bei Nutzgeflügel aus, kann die EU den betroffenen Bauern finanziell unter die Arme greifen.
Wenn ein Landwirt sein Geflügel und seine Eier vernichten muss, kann sie 50 Prozent der Kosten aufbringen, damit er seinen Viehbestand wieder erneuern kann. "Außerdem können wir die Export-Subventionen anheben, um der Branche zu helfen, ihr Fleisch zu exportieren. Je mehr Fleisch exportiert wird, desto weniger bleibt auf dem heimischen Markt und das kann den Preisen helfen", sagt Mann. Adleff hält nichts von solchen lenkenden Eingriffen: "Die Wirtschaft wird damit alleine fertig. Wir brauchen nicht immer nach dem Staat zu rufen."