Wirtschaftliche Verflechtungen Libyens
24. Februar 2011Das Rückgrat der libyschen Wirtschaft ist die Öl- und Gasproduktion. In ruhigen Zeiten hat Libyen täglich 1.6 Millionen Barrel Öl produziert und ist damit auf der Liste der größten Öllieferanten auf Platz 17. Nun fallen durch die Unruhen rund sechs Prozent der Produktion aus. Da Libyen mit Algerien zusammen nur rund zwei Prozent des weltweiten Öls liefert, ist der derzeitige Ausfall nicht groß genug, um die globale Versorgung maßgeblich zu beeinträchtigen. Aber trotzdem steigt der Ölpreis. Der Grund: Es wächst die Sorge, die Unruhen könnten sich ausweiten - vor allem auf Saudi Arabien, das Land mit den weltweit größten Reservekapazitäten. Zwar produziert auch Saudi Arabien nur zehn Prozent des weltweiten Angebots - kann aber als einziges Land schnell hohe Ausfälle aus anderen Gebieten kompensieren.
Handel mit Deutschland
Das meiste libysche Öl, nämlich 85 Prozent, fließt nach Europa. Davon etwa 22 Prozent nach Italien und rund 8 Prozent nach Deutschland. Damit importierte Deutschland im vergangenen Jahr aus Libyen Rohöl und Erdgas im Wert von drei Milliarden Euro. Daneben gab Deutschland noch etwa eine weitere Milliarde für libysche Produkte aus. Aber der Wüstenstaat ist auch als Exportmarkt nicht völlig unbedeutend für Deutschland, wurden doch dorthin Waren im Wert von einer Milliarde Euro verkauft. Vor allem Maschinen für den Bau, die Landwirtschaft und die chemische Industrie sowie Autos und andere Fahrzeuge wurden exportiert. Aber auch Nahrungsmittel und Produkte aus der Pharmazie und der chemischen Industrie wurden in Gaddafis Land geliefert.
Ausländische Unternehmen in Libyen
Aufgrund der regen Wirtschaftsbeziehungen sind viele ausländische Unternehmen in Libyen aktiv. Zu den größten Ölfirmen, gehört die deutsche BASF-Tochter Wintershall, RWE-Dea, außerdem BP, Exxon Mobile, OMV, Shell und StatoilHydro. Der größte ausländische Ölkonzern ist die italienische Eni. Allerdings sind zur Zeit wegen der politischen Unruhen viele Mitarbeiter ausgeflogen worden und oft hält nur noch eine Kernmannschaft ein Minimum an Produktion aufrecht.
Aus Deutschland agieren insgesamt 30 bis 40 Unternehmen in Libyen - vor allem in der Energiebranche aber auch im Bau und der Infrastruktur, bei Lebensmitteln und Medizin. Darunter Großkonzerne wie Siemens, Ferrostahl und Bilfinger Berger.
Libysche Investitionen im Ausland
Das Öl hat Libyen einen immensen Reichtum beschert. Allerdings kommt nur ein Bruchteil der Ölerlöse beim Volk an. Um so größer ist das Kapital der staatlichen Investmentgesellschaft Libyan Investment Authority (LIA). Begünstigt durch die spezielle Männerfreundschaft zwischen dem italienischen Staatsoberhaupt Berlusconi und dem selbsternannten libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi wurde vor allem in Italien kräftig investiert. So hält LIA zusammen mit der libyschen Zentralbank 7,5 Prozent an der Mailänder Großbank UniCredit und ist damit der größte ausländische Aktionär.
Außerdem ist LIA mit über zwei Prozent beim italienischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern Finmeccanica beteiligt und hält einen Anteil vom 7,5 Prozent am italienische Fußballklub Juventus Turin. Medienberichten zufolge gehört LIA ein Anteil von unter zwei Prozent am italienischen Autobauer Fiat.
Für 224 Millionen Pfund hat Gaddafi im vergangenen Jahr über seinen Staatsfonds LIA drei Prozent am britischen Medienunternehmen Pearson, zu dem unter anderem die Financial Times gehört, gekauft.
Außerdem erwarb LIA beim Börsengang im Dezember mehr als fünf Prozent des türkischen Immobilienfonds Emlak Konut. Auch in Russland wurde investiert. Drei Prozent des russischen Aluminium-Konzerns UC Rusal sind in der Hand von LIA.
Auswirkungen der Unruhen auf die Wirtschaft
Die politischen Unruhen in der arabischen Welt stellen nach Einschätzung des Ifo-Instituts vorerst kein Problem für den Welthandel dar. "Die betroffenen Länder haben einen relativ kleinen Anteil am Welthandel", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger am Montag (21.02.2011) Reuters. Der globale Aufschwung werde deswegen nicht gestoppt. Allerdings gebe es Szenarien, die die Einschätzung verändern könnten, schränkte Abberger ein. Sollte der Handel durch den strategisch wichtigen Suez-Kanal in Ägypten unterbrochen werden, könnten Öl-Lieferungen und die Exporte aus China nicht mehr auf dem schnellsten Seewege nach Europa gelangen. Mindestens genauso problematisch wäre ein Umdenken der internationalen Investoren, so Abberger. Sollte die Gewalt zu einer generellen Vorsicht der Geldgeber in Schwellenländern führen, seien dort Investitionen in Gefahr.
Der deutschen Wirtschaft könnten wegen der hohen Ölpreise Mehrkosten in Milliardenhöhe entstehen, warnte der Experte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Felix Neugart, am Mittwoch (23.02.2011). "Eine Preissteigerung von einem Prozent kostet die deutsche Wirtschaft etwa eine halbe Milliarde Euro." Verharre der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau, wären das im Gesamtjahr also rund 15 Milliarden Euro Mehrkosten.
Autor: Insa Wrede (rtr, dpa, dpad, afp)
Redaktion: Monika Lohmüller