Kaum WM-Reiselust bei Fans aus Afrika
8. November 2022"Ich bin nicht so enthusiastisch wie sonst bei Fußball-Weltmeisterschaften", sagt Mathieu Youbi. Der Geschäftsmann aus Kameruns Hauptstadt Jaunde organisiert Reisen zur WM 2022 in Katar. Doch die Nachfrage hält sich wegen der Corona-Pandemie und der weltweiten Inflation in Grenzen. "Die wirtschaftliche Situation bremst die Ausgaben. Unternehmen, die ihren Führungskräften sonst Reisen anboten, um sie zu motivieren, haben diesmal darauf verzichtet", berichtet Youbi. "Ich habe Fanreisen für fünf Weltmeisterschaften organisiert und habe den Vergleich: Das Interesse an dieser WM ist nicht so groß wie bei den anderen Turnieren."
Dabei kehren die "Unbezähmbaren Löwen", wie die Nationalspieler Kameruns genannt werden, zum prestigeträchtigsten Turnier des Weltfußballs zurück, nachdem sie die WM 2018 in Russland verpasst hatten. Die Fans träumen davon, dass dem Nationalteam in Katar ein Coup wie bei der WM 1990 in Italien gelingt, als die Mannschaft um den legendären Roger Milla das Viertelfinale erreichte und sich dort England erst nach Verlängerung geschlagen geben musste.
Die WM-Begeisterung der Fans wird derzeit jedoch durch den wirtschaftlichen Abschwung in Kamerun gedämpft. So stiegen die Lebensmittelpreise allein im August 2022 um fast 14 Prozent. "Ich bezweifle, dass ich meine Verkaufsziele erreichen kann", sagt Reiseunternehmer Youbi. "Die Kameruner sind nicht [an WM-Reisen - Anm. d. Red.] interessiert. Man muss einfach sagen: Diese Weltmeisterschaft ist zu teuer."
Ghana sinnt auf Revanche gegen Uruguay
Das gilt auch für die meisten Menschen im fußballbegeisterten Ghana. Die Inflation in dem westafrikanischen Staat betrug alleine im vergangenen September 37 Prozent, die Währung Zedi verlor 40 Prozent ihres Wertes. "Wir warten darauf, von der Regierung zu erfahren, wie viele Fans sie für die Reise nach Katar sponsern wird", sagt Abraham Boakye, Gründer der Fan-Organisation "Ghana National Supporters Union". Im September sagte Ghanas Sportminister Mustapha Ussif, die Regierung werde keine Steuergelder verwenden, um Fans zur WM zu entsenden. Man versuche, aus anderen Quellen Geld dafür aufzutreiben. Über die Absichtserklärung ging es bislang nicht hinaus.
Dabei fiebern Fans wie Boakye der WM entgegen, unter anderem wegen einer möglichen Revanche Ghanas gegen Uruguay. In der Gruppenphase treffen die "Black Stars" auf die Südamerikaner, die ihnen im Viertelfinale der WM 2010 in Südafrika eine bittere Niederlage beigebracht hatten. In der Nachspielzeit der Verlängerung hatte Uruguays Torjäger Luis Suárez den Siegtreffer Ghanas mit einem absichtlichen Handspiel verhindert. Suárez sah die Rote Karte, Asamoah Gyan setzte den Strafstoß an die Latte. Das anschließende Elfmeterschießen entschied das Team Uruguays für sich. Ghana verpasste es, als erste afrikanische Nation in ein WM-Halbfinale einzuziehen. "Jeder möchte dieses Spiel noch einmal sehen", sagt Boakye. "Zum Glück spielt Suárez noch."
Keine Euphorie in Nordafrika
Für Marokko geht es bei der WM in Katar nicht um eine Revanche, sondern um ein besseres Abschneiden als beim letzten Turnier. 2018 in Russland, beim fünften WM-Start des Landes war die Mannschaft als Gruppenletzter ausgeschieden. Mehdi Charqi war damals als Fan dabei. Nach Katar wird er jedoch nicht reisen. "Ich bin älter geworden und setze heute andere Schwerpunkte", sagt Charqi der DW. "Ich glaube aber auch nicht, dass Katar ein Fußball-Land ist, in dem ich eine Weltmeisterschaft genießen kann. Ich hatte wirklich tolle Erlebnisse in Russland. Und ich möchte diese Erinnerung bewahren."
Neben Marokko ist mit Tunesien ein weiteres nordafrikanisches Land in Katar dabei. Der algerische Fußball-Historiker Adel Haddad erwartet trotz der geographischen Nähe des WM-Gastgeberlandes nur wenige Anhänger beider Teams bei dem Turnier. "Für die Fans aus Nordafrika wird es schwer sein, nach Katar zu reisen. Die Tickets sind um 30 Prozent teurer als 2018 in Russland. Dazu kommen die Kosten für Visum, Anreise und Unterkunft", sagt Haddad der DW. "Das können sich nur wenige Fans leisten."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen von Stefan Nestler adaptiert.