US-Team trifft auf Widerstand - ein Zeichen der Zeit
27. Juli 2023Vier Jahre sind im Frauenfußball wie ein ganzes Leben. Seit die USA im Finale der Weltmeisterschaft 2019 in Lyon die Niederlande mit Leichtigkeit aus dem Weg räumten, hat sich die Landschaft des Frauenfußballs komplett verändert. Das zeigte sich auch bei der Neuauflage des Duells im hart umkämpften Gruppenspiel in Wellington, das mit einem 1:1-Unentschieden endete. "Was ist von ihrer Überlegenheit geblieben?" hatte der niederländische Cheftrainer Andries Jonker schon vor dem Spiel gewitzelt. Die Antwort lautet: Die Verfolger haben aufgeholt, weil sich der Frauenfußball auf der ganzen Welt seit dem vierten WM-Titel der USA weiterentwickelt hat und gewachsen ist.
Mehr Intensität, bessere Fitness
Ein Hauch von Unbesiegbarkeit umgab die US-amerikanische Mannschaft noch 2019. Viele Teams wirkten damals schon besiegt, bevor sie überhaupt das Feld betraten. Das galt auch für die Niederländerinnen, die im Finale der WM in Frankreich in 90 Minuten nur einen einzigen Torschuss zustande brachten und in ihrem ersten WM-Finale überhaupt mit 0:2 verloren. Vier Jahre später, im Stadion in Neuseelands Hauptstadt, zeigte Jonkers Mannschaft dagegen ihre vielleicht besten 45 Minuten bei einer WM. "Die Intensität im europäischen Fußball hat in den letzten Jahren wirklich zugenommen, ebenso wie die Fitness", sagte Jonker dem TV-Sender ESPN. "In der Vergangenheit waren die amerikanischen Frauen viel fitter als der Rest der Welt. Aber ich glaube diese Zeiten sind vorbei. Wenn man sich heute die Champions League anschaut erlebt man dort die gleiche Intensität."
"Nahe dran oder sogar besser"
Im US-Team spielten sechs Fußballerinnen, für die das Turnier in Neuseeland und Australien die erste WM ist. In der ersten Halbzeit hatte die Mannschaft Mühe, ins Spiel zu kommen, die Niederlande führten zur Pause mit 1:0. US-Stürmerin Sophia Smith widersprach Jonkers Einschätzung, dass der zwischenzeitliche Rückstand auf mangelnde Fitness der Amerikanerinnen zurückzuführen sei. "Keine Mannschaft ist fitter als wir", sagte Smith der DW. "Ich weiß nicht, was diese Bemerkung soll. Wir sind sehr fit, wir können eine Menge. Wir sind nicht mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden."
Die Statistik sprach eine andere Sprache: Die Niederländerinnen hatten in der ersten Halbzeit 61 Prozent Ballbesitz. "Seitdem unser Trainer vor einem Jahr zu uns kam, hat er uns wirklich fit gemacht", sagte Abwehrspielerin Dominique Janssen der DW. "Er hat uns beigebracht, an unser Spiel zu glauben und wirklich hart zu arbeiten. "Wir entwickeln uns als Team weiter. Auch heute hat man gesehen, dass im Frauenfußball das Niveau immer besser wird. Es tut gut, gegen die USA einen Punkt zu holen. Eines Tages werden wir hoffentlich auch in der Lage sein, drei Punkte gegen sie einzufahren."
Oranje-Torhüterin Daphne van Domselaar, die in der zweiten Halbzeit mit guten Paraden großen Anteil an der Punkteteilung hatte, ging noch einen Schritt weiter: "Vier Jahre sind eine lange Zeit. Ich denke, wir haben der ganzen Welt gezeigt, dass wir sehr nah an ihnen dran, wenn nicht sogar besser sind."
Debütanten beeindrucken
Das Turnier 2019 hatte noch mit einem 13:0-Kantersieg der USA gegen Thailand begonnen. Es war der höchste WM-Sieg aller Zeiten. Nach der Aufstockung der Endrunde von 24 auf 32 Mannschaften wurde befürchtet, dass es noch mehr solch einseitige Spiele geben würde. Doch die Debütanten von 2023 zeigten sich gegen die erfahreneren europäischen und nordamerikanischen Mannschaften gut gerüstet. Obwohl Vietnam eine 0:3-Niederlage gegen die USA einstecken musste, ging das Team nicht unter. Torhüterin Tran Thi Kim Thanh hielt sogar einen Elfmeter von Alex Morgan. Der US-Star zeigte sich beeindruckt von den Auftritten nicht nur der Vietnamesinnen, sondern auch anderer Außenseiter: "Es gab Bedenken hinsichtlich der Qualität. Aber die wurden in den ersten Spielen ziemlich schnell zerstreut".
Debütant Haiti verlor unglücklich mit 0:1 gegen Europameister England, Jamaika holte sogar seinen allerersten WM-Punkt gegen die hoch gewettete französische Mannschaft. US-Cheftrainer Vlatko Andonovski war nach eigenen Worten von den Auftritten der vermeintlich schwächeren Teams nicht überrascht: "Die Mannschaften, die in der Weltrangliste zwischen den Positionen 15 und 40 stehen, sind wahrscheinlich diejenigen, die sich am meisten weiterentwickelt haben und die dieses Turnier interessant machen."
Kampf um Equal Pay geht weiter
Für Alex Morgan besteht der wichtigste Unterschied zwischen der aktuellen WM und der im Jahr 2019 darin, dass hinter den US-Spielerinnen der letztlich erfolgreiche Kampf um Gleichstellung liegt. Es sei eine unwillkommene und kräftezehrende Ablenkung vom Sport gewesen, einen Rechtsstreit um Equal Pay führen zu müssen, sagte die 34-Jährige. Andere Teams sind in diesem Punkt noch lange nicht so weit. So stritten sich vor der WM-Endrunde die Spielerinnen aus Kanada, Frankreich, Spanien, Haiti und Sambia mit ihren Verbänden um eine gerechtere Bezahlung. "Wir werden alle anderen Spielerinnen, die den gleichen Kampf führen, den wir es so lange geführt haben, so gut wie möglich unterstützen", versprach Morgan. Auch in dieser Hinsicht verändert sich der Frauenfußball.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.