Ölkrise - na und?
21. November 2007Beim Öl gelten die Gesetze der Ökonomie geradezu mustergültig: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. China feuert mit Öl munter sein Wachstum an, die Amerikaner munter ihre Autos, und auf der nördlichen Halbkugel hat gerade die winterliche Heizperiode begonnen.
Das Angebot an Öl wächst dagegen viel langsamer: Da gibt es eine Fülle geopolitischer Tumulte, das Säbelrasseln der Amerikaner und des Iran zum Beispiel, und technische Schwierigkeiten, genügend Raffineriekapazitäten aufzubauen. Die OPEC ist sehr unflexibel, was die Erhöhung der Förderquoten angeht, einzig und allein Saudi-Arabien könnte die Tagesförderung kurzfristig erhöhen, wird aber immer wieder in den OPEC-Konferenzen von den anderen Mitgliedsländern ausgebremst.
Stoff für Spekulationen
Und dann dürfen wir die Spekulanten nicht vergessen, die haben vor allem den Preis in den letzten Wochen hochgejagt. Das ist wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Weil alle glauben, der Preis wird steigen, steigt er auch, und die Zocker an der Terminbörse setzen weiter auf steigende Preise. Für Hedge-Fonds zum Beispiel sind Bankaktien wegen der Immobilienkrise uninteressant geworden, das Geld fließt in Öl-Kontrakte.
Der Euro schützt
Alles in allem: Hohe Nachfrage, knappes Angebot – ergibt steigende Preise. So einfach kann Ökonomie sein. Spannender ist allerdings die Frage, wie sich dieser Ölpreisschock auf die Weltwirtschaft auswirkt. Vielleicht weit weniger, als manche befürchten, zumindest in Europa. Das liegt daran, dass der Dollar im Vergleich zum Euro kräftig verloren hat, sodass die Ölrechnung für die Europäer gar nicht merklich gestiegen ist. Anders sieht das in den USA aus, da droht, auch wegen der Finanzkrise und dem sinkenden Verbrauchervertrauen, eine Rezession.
Wir in Europa werden vom teuren Öl auch aus anderen Gründen weniger tangiert. Wir haben gelernt, mit hohen Ölpreisen umzugehen, die chemische Industrie, die Metallverarbeitung, die energieintensiven Branchen haben ihre Energieeffizienz rasant gesteigert. Für das gleiche Wachstum brauchen wir heute nur halb so viel Energie wie vor 20 Jahren. Außerdem wachsen wir im Bankensektor, in der Informationstechnologie, bei den Dienstleistungen, und diese Branchen verbrauchen vergleichsweise wenig Öl.
Eine Chance?
Öl ist auf der ganzen Welt, relativ gesehen, zu einem weniger wichtigen Produktionsfaktor geworden als noch vor 20 Jahren - und deshalb werden auch nicht alle Räder still stehen, wenn das Barrel demnächst 150 Dollar kostet.
Statt von einer Krise sollte man besser von einer Chance sprechen. Denn: Je höher der Ölpreis, desto interessanter werden Alternativen, auch solche Alternativen, die bisher als unwirtschaftlich galten, weil sie an einem relativ niedrigen Ölpreis gemessen wurden.
Viel hilft viel
Wissenschaftler arbeiten an Szenarien für die Zeit nach dem Öl, forschen intensiv über unendliche Energiequellen wie Sonne, Wasser, Wind, Erdwärme, Biomasse. Wir haben längst erkannt, dass unsere endlichen Energiereserven viel zu wertvoll sind, um damit schlecht gedämmte Häuser zu heizen, mit dem Auto zum Briefkasten zu fahren oder mit dem Billigflieger kreuz und quer über den Globus zu fliegen.
Jede Preisexplosion hat auch etwas Heilsames: Sie zwingt die Industrie, Energie noch effizienter einzusetzen, zwingt die Verbraucher, sich nach sparsameren Heizungen und Autos umzusehen, zwingt die Energieerzeuger, stärker als bisher in die Erforschung und Nutzung alternativer Energien zu investieren. Je teurer das Öl wird, desto lohnender wird jede Investition, die unsere Abhängigkeit vom Öl verringert. So gesehen, darf es ruhig noch etwas mehr sein beim Ölpreis - denn viel hilft viel.