Wo bleiben die Games aus Afrika?
2. Dezember 2024Das hektische Handyspiel "Disney Iwájú: Rising Chef" will Spielerinnen und Spielern die nigerianische Esskultur näherbringen. Sie schlüpfen darin in die Rolle eines Kochs und servieren Streetfood oder andere typische Speisen aus Nigeria, zum Beispiel Jollof (Reisgericht) oder Puff Puff (frittierte Teigbällchen).
Hugo Obi hat das nigerianische Entwicklerstudio "Maliyo Games" gegründet, das sich auf Spiele für Smartphones und Tablets spezialisiert hat und hinter dem Kochspiel steht. "Meine Vision ist es, den Aufstieg der afrikanischen Spieleindustrie zu erleben", sagt er. "Meine größte Motivation besteht darin, anderen den Weg zum Erfolg zu ebnen." Hugo Obi ist in Nigeria aufgewachsen und kam zum Studieren nach London. "Ich bin nach Nigeria zurückgekehrt, weil ich den Menschen ermöglichen wollte, neue Fähigkeiten zu erlernen. In meinem Land und auf dem ganzen Kontinent gibt es viele Leute, die Spiele entwickeln wollen. Aber sie haben nicht die Mittel dazu, weil niemand eine Umgebung geschaffen hat, in der sie das tun können. Ich hatte das Gefühl, das ist etwas, was ich tun könnte."
Im Sommer hat er auf der Gamescom in Köln afrikanische Spiele beworben. Nun ist er als Speaker bei der "Africa Games Week" dabei, die bis 4. Dezember in Kapstadt stattfindet. Dort treffen afrikanische Studioleiterinnen und Spielentwickler auf Branchenkenner und Nachwuchstalente. Ziel der Initiative, die 2018 ins Leben gerufen wurde, ist es, die afrikanische Gaming-Branche zu vernetzten und ihr zum Wachstum zu verhelfen.
Die Geschichte der afrikanischen Spielebranche beginnt 1993
Aktuell gibt es in Afrika rund 100 Studios, schätzt Hugo Obi. Die meisten Menschen in der Spieleentwicklung arbeiteten noch daran, ihre Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Nicht alle Studios hätten schon Spiele veröffentlicht. Anfang der 1990er-Jahre wurden die ersten Studios auf dem Kontinent gegründet.
2024 steckt die Branche noch immer in den Kinderschuhen, aber die Begeisterung fürs Gaming wächst stetig. Mittlerweile spielen mehr als 186 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika digitale Spiele. Bis 2027 soll die Zahl der Spielenden auf dem gesamten Kontinent laut Prognosen des Statistik-Portals statista auf 212,7 Millionen steigen. Afrika hat eine junge Bevölkerung, und sie wird weiter wachsen. Gespielt wird überwiegend am Smartphone. PCs und Spielekonsolen sind teuer und in Privathaushalten nicht weit verbreitet.
Die Spielenden sind schon da, aber wo bleiben die Spiele?
Die meisten Studios liegen in Nigeria, Kenia und Südafrika. Die Entwicklerinnen und Entwickler programmieren für alle Plattformen, also für Smartphones, PCs und Konsolen, da sie nicht nur die afrikanischen Spielenden im Sinn haben, sondern die ganze Welt bedienen wollen. Bislang gelingt ihnen das allerdings nur selten. Spiele aus Afrika sind außerhalb des Kontinents weitgehend unbekannt. Ein großes Problem sei die mangelnde Distribution, erklärt Bukola Akingbade, Geschäftsführerin des nigerianischen Studios "Kucheza Gaming", dem Marktführer in Afrika. Spiele fertigzustellen und auszuliefern seien die größten Herausforderungen für afrikanische Studios, sagt die Branchenkennerin.
Dem liegen strukturelle Probleme zugrunde. Zum einen gibt es in den meisten Ländern keine Ausbildungsmöglichkeiten für junge Talente. Wer Spiele entwickeln will, muss sich das Programmieren oft selbst beibringen. Zwar gibt es sein einigen Jahren Fortbildungsprogramme für Entwicklerinnen und Entwickler wie "GameUp Africa" oder "GameCamp", gesponsort von Google und Microsoft, aber solche Angebote können ein Studium zum Game Designer oder Game Developer nicht ersetzen.
Da die Spielebranche in Afrika noch jung ist, fehlt es an Erfahrung, an Menschen, die erfolgreiche Spiele entwickelt und vertrieben haben und ihr Wissen an die nächste Generation weitergeben können. Weitere Herausforderungen, vor denen Entwicklerinnen und Entwickler in Afrika stehen, ist die Anschaffung von teuren High-End-PCs, eine oft instabile Stromversorgung und langsames Internet. Hinzu kommt mangelnde Unterstützung seitens der Politik, wie die Teilnehmenden einer Umfrage für den "Africa Games Industry Report 2024" angaben. Eine staatliche Games-Förderung gibt es nicht.
Spiele für ein gutes Leben
Trotzdem will Hugo Obi weitermachen. Denn die Spielebranche biete vielen Menschen Arbeit. "Ich will, dass die Leute Geld verdienen und ein gutes Leben führen können. Und eine globale Industrie ist viel robuster als eine lokale Industrie", sagt er. "Die Spiele, die wir machen, sind für uns eine Gelegenheit, der Welt neue Geschichten zu erzählen. Mit jedem Spiel, das wir machen, werden wir besser darin."
Bukola Akingbade kam eher zufällig über ihre Söhne in die Gaming-Branche. Denn ihre Jungs interessierten sich nicht mehr fürs Fernsehen, nicht für Filme, sondern schauten im Internet anderen Menschen dabei zu, wie sie Videospiele spielten. Das machte Bukola Akingbade neugierig. Sie stellte fest, dass Games für junge Menschen heute dieselbe Rolle einnehmen, die das Fernsehen in den 1980er- und 1990er-Jahren hatte. Daher kommt sie zu dem Schluss: "Wenn wir als Kontinent bei Videospielen keine Stimme haben, werden wir einen erheblichen Teil unserer Teenager-Generation und der Jüngeren verlieren."
"Wir müssen unsere Geschichten erzählen"
An Talenten, die sich Spiele ausdenken, sie gestalten und programmieren können, mangele es nicht, sagt Bukola Akingbade. Sie beobachtet in Nigeria eine große Begeisterung für Videospiele. "Wir müssen unsere Geschichten erzählen und unsere Spiele besser promoten", sagt sie.
Afrika ist reich an Kultur und an Mythen und Erzählungen, die die globale Spielerschaft noch nicht zigmal gehört hat. Das in Kamerun entwickelte und international beachtete Action-Rollenspiel "Aurion: Legacy of the Kori-Odan" hat schon 2016 gezeigt, was möglich ist. Das Spiel greift afrikanische Mode, Musik und Mythen auf und siedelt die Handlung in einem afrikanischen Fantasy-Setting an.
Games aus Afrika können neue Geschichten erzählen, andere Perspektiven einnehmen. Mehr erfolgreiche Spiele aus Afrika wären nicht nur für die Entwicklerstudios aus Afrika ein Gewinn, sondern auch für die Spielerinnen und Spieler auf der ganzen Welt.