Fremdenhass in Deutschland
19. August 2015Von rund 130 fremdenfeindlichen Gewalttaten deutschlandweit haben sich im vergangenen Jahr 61 in Berlin und den neuen Bundesländern abgespielt. Die fünf neuen Bundesländer, die aus der Deutschen Demokratischen Republik hervorgingen, sowie die Hauptstadt Berlin repräsentieren dabei nur knapp 17 Prozent der deutschen Bevölkerung. Dennoch haben im Jahr 2014 nach Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" hier 47 Prozent aller fremdenfeindlichen Übergriffe stattgefunden. Die Zeitung stützt sich auf Statistiken des Bundesinnenministeriums. Dieses hatte auf eine Anfrage der Partei Bündnis90/Die Grünen reagiert und die Zahlen erarbeitet.
Die im Osten erfassten Taten entsprechen zugleich einem Anstieg von 40 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr. Die Zahlen seien alarmierend, aber nicht unbedingt überraschend, so Robert Lüdecke, Sprecher der Amadeu Antonio Stiftung. Die Organisation mit Sitz in Berlin beschreibt sich selbst als "Initiative für Zivilgesellschaft und demokratische Kultur".
Überproportional hoch
In den letzten zwei Jahren hätten Übergriffe gegen Ausländer deutlich zugenommen, so Lüdecke. Dazu hätten auch die Pegida-Demonstrationen in den ostdeutschen Bundesländern im vergangenen Jahr beigetragen. "Rassistische Gewalt findet dort statt, wo die Stimmung bereits entsprechend angespannt ist", sagt Lüdecke im Gespräch mit der DW.
Das deutsche Innenministerium unterscheidet bei seinen Daten zwischen rassistischen Gewalttaten - also gezielten Übergriffen auf Ausländer - und rechtsmotivierten Gewalttaten. Damit beschreibt das Ministerium Übergriffe, die auch gegen Deutsche gerichtet sein können, die wiederum Migranten beschützen und somit selbst zur Zielscheibe werden.
Die Zahl dieser rechtsmotivierten Gewalttaten liegt deutlich über den rassistisch motivierten. So kommt das Innenministerium im Jahr 2014 auf 1029 solcher Fälle. Hier liegt Nordrhein-Westfalen (NRW) mit 370 Fällen deutlich vor Berlin, Sachsen und Brandenburg. Laut Lüdecke hat das Bundesland NRW traditionell eine starke Neonazi-Szene, in der viele auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.
Vieles bleibt im Dunkeln
Nach der Wiedervereinigung 1990 hätte die Bundesregierung im Osten massiv in den Aufbau von Präventions-Strukturen investiert, so Lüdecke. Dazu gehörte die finanzielle Unterstützung privater Opfer-Beratungsstellen von politisch motivierter Gewalt.
Dagegen fehlten in vielen westlichen Bundesländern bis heute die entsprechenden Strukturen. "Rechtsextreme Gewalt wurde von den westlichen Bundesländern immer als Problem der Ost-Bundesländer betrachtet", sagt Lüdecke.
NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland. Neben der starken rechten Szene hätte NRW - im Gegensatz zu anderen westlichen Bundesländern - auch Beratungs- und Meldestellen für politisch motivierte Gewalt, so Lüdecke. Das könnte auch ein Grund für die hohen Zahlen in NRW sein. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern würden viele Fälle hier tatsächlich gemeldet. Aber die Zahl von nicht gemeldeten rechtsmotivierten Gewalttaten sei bundesweit wahrscheinlich deutlich höher als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Dieses Problem müsse von den Behörden angegangen werden, so der Sprecher der Amadeu Antonio Stiftung.