Wohin steuert die Deutsche Bank?
27. Oktober 2015"Ein Phantom regiert die Deutsche Bank" titelte Spiegel Online, "Deutsche Bank Co-Chef scheut das Rampenlicht" schrieb die Frankfurter Allgemeine in ihrer Online-Ausgabe, "Der Mann, der sich versteckt" - so charakterisierte die Süddeutsche Zeitung den neuen Mann an der Spitze der Deutschen Bank.
Und tatsächlich: Seit vier Monaten ist der Brite John Cryan offiziell im Amt, hat einen Rekordverlust für das dritte Quartal melden müssen und einen Radikalumbau des Frankfurter Geldkonzerns angekündigt - aber sehen lassen in der Öffentlichkeit mochte er sich nicht. Anders als seine Vorgänger, der Brite Anshu Jain oder der Schweizer Josef Ackermann, deren Gesichter jedem halbwegs an Wirtschaft interessierten Laien geläufig waren, wollte sich Cryan möglichst überhaupt nicht der Öffentlichkeit zeigen.
Das sollte zunächst auch für den kommenden Donnerstag gelten. Da war geplant, die Analysten und Fondsmanager auf einer Investorenveranstaltung in London über die Umbaupläne und die künftige Neuausrichtung der Deutschen Bank zu unterrichten und anschließend, am späten Nachmittag, die deutschen Medien mit einer Telefonkonferenz abzuspeisen. Doch das stieß auf Kritik: Cryan wurde vorgeworfen, als neuer Chef der Deutschen Bank die deutsche Öffentlichkeit zu meiden.
Erster Auftritt vor der Presse
Nun hat er seinen Kurs korrigiert - er wird am Donnerstagvormittag seinen ersten Auftritt in der deutschen Öffentlichkeit haben. Zusammen mit dem noch bis Mitte Mai amtierenden Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen, Finanzvorstand Marcus Schenk und Privatkundenvorstand Christian Sewing wird Cryan erklären, wie er die Deutsche Bank nach den vielen Skandalen wieder auf Kurs bringen will.
Wohin die Reise gehen wird, hatte Cryan Mitte Oktober nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung angedeutet: "Wir wollen eine besser kontrollierte, kosteneffizientere und stärker fokussierte Bank schaffen." Experten unken, Cryan habe damit den größten Umbau in der Geschichte des Konzerns angekündigt. Das Investmentbanking soll zerschlagen und neu geordnet, das Privatkundengeschäft stärker auf reiche Kunden ausgerichtet, die Postbank an die Börse gebracht und zehn von 16 dem Vorstand zuarbeitenden Ausschüssen abgeschafft werden.
Kostenorientierter Pragmatiker
Diese nüchtern-ökonomische Vorgehensweise kommt bei vielen erst mal gut an. Lob bekam Cryan etwa dafür, dass er die Führungsetage durcheinanderwirbelte und sich dabei gleich von vier Vorständen trennte. Andererseits weckt das auch Ängste, weil unter Umständen der Abbau von mehreren tausend Stellen droht. Was den neuen Mann in Frankfurt nicht weiter berührt. Während seine Vorgänger Jain und Fitschen sehr oft das Wort vom Kulturwandel nach der Finanzkrise in den Mund nahmen, hat Cryan ganz profane Motive. Für ihn ist es "einfach inakzeptabel", dass die Bank in so viele Skandale verwickelt ist, ganz einfach weil die bereits geleisteten und noch drohenden Strafzahlungen den Gewinn schmälern.
Und Skandale und Baustellen hat der Konzern immer noch genug. Zum größten Rechtsrisiko hat sich zuletzt der Geldwäscheskandal in der Moskauer Niederlassung entwickelt. Die Ermittlungen amerikanischer und britischer Aufsichtsbehörden konzentrieren sich nun auf mögliche Sanktionsverstöße und die Geschäftsbeziehungen zu engen Vertrauten des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin, berichtete die "Financial Times".
Drastische Strafen drohen
Schon im August hat sich das amerikanische Justizministerium eingeschaltet. Die Deutsche Bank hatte stets auf eigene Untersuchungen verwiesen, wonach es keine Anhaltspunkte für Sanktionsverstöße gebe. Doch die Transaktionen im Umfang von bis zu sechs Milliarden Dollar liefen von 2011 bis Anfang 2015. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wurden wegen des Krieges in der Ostukraine Mitte 2014 verhängt.
Am Montag jedenfalls teilte die Deutsche Bank mit, die Aufklärung dubioser Geschäfte zwischen Moskau und London stehe im Vordergrund. Sie arbeite mit den Behörden zusammen, habe bereits disziplinarische Maßnahmen getroffen und werde das gegebenenfalls weiter tun. Zu den disziplinarischen Maßnahmen gehört mit Sicherheit die Entlassung mehrerer Händler in Moskau, über die die Bank schon vor Monaten informiert hatte.
Mögliche Strafen in dieser Angelegenheit können recht drastisch ausfallen, denn die US-Behörden sind in solchen Fällen nicht zimperlich. Aber damit haben die Deutschbanker schon Erfahrung: Rund 2,5 Milliarden Dollar zahlten sie im April, damit amerikanische und britischen Finanzaufseher im Gegenzug her ihre zivilrechtlichen Ermittlungen einstellen.
Weitere Konsequenz aus den Affären der Vergangenheit: Neue Köpfe, die nicht durch die zahlreichen Affären belastet sind, sollen das verschlankte Geldhaus führen. Insgesamt vergrößert Cryan den Führungskreis von acht auf zehn Mitglieder. Sechs von ihnen rücken neu auf. Gehen muss unter anderem der langjährige Finanzvorstand Stefan Krause; auch Stephan Leithner verlässt die Führungsebene. An ihrer Stelle ziehen mit Sylvie Matherat und Nadine Faruque zwei Frauen in den Vorstand ein.