Wohin steuert die deutsche Wirtschaft?
10. Januar 2013Der Blick ins neue Jahr, er ist stets voller Hoffnungen und Erwartungen. Was die Eurokrise betrifft, so mischen sich natürlich auch Befürchtungen hinein. Zwar hat sich die Aufregung etwas gelegt, aber die Krise wird 2013 sicherlich nicht zu den Akten gelegt werden können. Dieser Meinung sind auch eine Reihe von Wirtschaftsforschern, die zum Jahresbeginn traditionell ihre Konjunktur-Prognosen wagen. In denen werden immer auch die Aussichten für die deutsche Wirtschaft beleuchtet.
Ist es die Ruhe, die Feiertage allgemein mit sich bringen, ist es ein gewisser Gewöhnungseffekt in anhaltend schwierigen Zeiten, oder hat die europäische Schuldenkrise im Januar 2013 tatsächlich etwas von ihrer Brisanz verloren? Für Ferdinand Fichtner, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist es in jedem Fall eine trügerische Ruhe. Von der Politik werde sie ausgenutzt, um sich zurückzulehnen und zu schauen, was passiere. Ob Bankenunion, vertiefter europäischer Integrationsprozess oder Fiskalpakt, alle Reformbemühungen seien derzeit geradezu erlahmt: "Das ist momentan das Falscheste, was man machen kann," sagt Fichtner. Es sei zwar richtig, dass sich die Situation an den Finanzmärkten entspannt habe. "Aber die Krise ist damit nur möglicherweise ein wenig beruhigt und mit Sicherheit noch nicht gelöst und ich glaube, das kann uns noch um die Ohren fliegen."
Nur schwaches Wachstum
Nicht nur das DIW bezeichnet die Krise im Euroraum als den nach wie vor größten Hemmschuh für die weltweite Konjunktur. Der Euroraum steckt in einer Rezession und nach einem Minus von 0,4 Prozent im vergangenen Jahr wird die Konjunktur wohl auch 2013 im Keller bleiben. Die sinkende Nachfrage bei den europäischen Nachbarn macht sich inzwischen auch in Deutschland bemerkbar. 0,9 Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert das DIW für das laufende Jahr, das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) geht von 0,8 Prozent aus. Die deutsche Wirtschaft, so formuliert es Gustav Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK, könne sich in diesem Jahr zwar über Wasser halten, die Rezession im Euroraum hänge ihr jedoch wie ein Gewicht an den Füßen. Deutschland würde sich einer Illusion hingeben, wenn man glaube, man könne sich auf Dauer von der Eurokrise abkoppeln, so Horn: "Wir reden hier von einem Wachstum in Deutschland, das auf jeden Fall unter einem Prozent liegen wird. Bei einem solchen Wachstum kann man keine Beschäftigungszuwächse erwarten, da ist der Arbeitsmarkt nicht mehr ausnahmefähig. Das ist keine Situation, mit der Deutschland auf Dauer leben können sollte."
Gefahr aus China?
Anton Börner, der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), geht davon aus, dass die Eurokrise noch bis 2016 anhalten wird. Allerdings werde es nach der Ankündigung der Europäischen Zentralbank, im Zweifelsfall unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen, wohl keine Eskalationen mehr geben. Jenseits der Eurokrise sieht Börner in den kommenden Jahren aber noch ganz andere Herausforderungen auf die deutsche Wirtschaft zukommen. Gerade das Emporkommen der neuen gigantisch großen Wettbewerber, wie die Volksrepublik China, sei ein riesige Herausforderung. "Und zwar in unseren ureigensten Branchen, in denen wir stark sind, in denen wir heute noch Weltmarktführer und Hidden Champions sind, werden wir in relativ kurzer Zeit einen eiskalten Wind ins Gesicht kriegen." Auch aus den USA werde die Konkurrenz wieder stärker. Börner verweist auf die dort sinkenden Energiekosten: "Das sind Themen, die werden in der Bundesregierung mehr oder minder abgetan mit den Worten, Unternehmer würden doch immer klagen und davon würde man doch nichts merken. Aber wenn man es in der Statistik merkt, dann ist es schon zu spät."
Standortnachteile in Deutschland?
In Deutschland kehre die Standortfrage zurück, kündigt Börner an. Angesichts steigender Energie- und Arbeitskosten verliere Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit. Im Großhandel sehe sich schon jetzt fast jedes zehnte Unternehmen von einer "verbesserten Wettbewerbsposition der Konkurrenten" bedrängt. So könnten Unternehmen in den USA Energie um 70 Prozent billiger einkaufen als in Deutschland. Zudem gebe es in den USA eine wachsende Bevölkerung und daher keinen Nachwuchsmangel. Viele, vor allem energieintensive deutsche Unternehmen dürften deshalb eine Produktionsverlagerung in die USA durchspielen. "Deswegen ist es einer der großen Risikofaktoren, die wir sehen und wo wir wirklich Bauchschmerzen haben, ob die deutsche Gesellschaft, ob die deutsche Politik die Dramatik, die in dieser Dynamik liegt, verstanden hat."
Die Forderungen, die Börner stellt, um den Standort Deutschland wieder attraktiver zu machen, sind nicht neu. Deutschland sei überreguliert. Bürokratische Hemmnisse müssten abgebaut und das Steuersystem vereinfacht werden. Von den vielen Maßnahmen, die die Regierungskoalition aus Union und FDP versprochen habe, seien die meisten im Dickicht von Föderalismus und Parteiideologie stecken geblieben. Angesichts der unvorstellbaren Sparmaßnahmen, die den südeuropäischen Krisenländern abverlangt würden, sei es auch nicht zu verantworten, in Deutschland noch mehr soziale Wohltaten zu verteilen.