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Das Gesicht Berlins

16. Juni 2011

Vor zehn Jahren, am 16. Juni 2001, wurde der Sozialdemokrat Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister. Der offen schwule Regierungschef ist nach wie vor ein international gefragter Gesprächspartner.

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Klaus Wowereit (Foto: picture alliance/ZB)
Bild: picture-alliance/ ZB

Wenn Journalisten über den Politiker Klaus Wowereit berichten, klingen die Schlagzeilen oft unpolitisch. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass sich einige noch immer über den Erfolg eines Mannes wundern, dem sie anfangs wenig bis gar nichts zugetraut haben. Mancher Versuch, Wowereits Erfolgsgeheimnis zu erklären, mündet in Ratlosigkeit. So geschehen im Mai 2005, als die Zeitung "Zeit" sich und ihre Leser fragte: "Die Weltpresse begeistert sich für den Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Warum nur?"

Es könnte, es wird wohl daran liegen, dass der Blick von außen ein völlig anderer war und ist als der von innen. Wenn das "Time Magazine" seine Titel-Seite mit dem Konterfei Wowereits schmückt, dann wegen dessen Fähigkeit, Berlin weltweit erfolgreich als Marke zu verkaufen. Die Stadt ist in den Augen vieler eben tatsächlich "arm, aber sexy". Der Satz stammt natürlich von Klaus Wowereit.

Sprüche wie vom Werbe-Profi

Kein Werbe-Profi hätte besser formulieren können, was den einzigartigen Mix Berlins ausmacht: viel Geschichte, billigere Mieten, großzügige Künstler-Ateliers. Der Reiz des Unfertigen, des Provisorischen zieht Menschen aus aller Welt an. Und auch, wenn die allermeisten der 3,4 Millionen Berliner davon persönlich wenig profitieren, so arrangieren sie sich damit. "Wowi", so wird er mittlerweile genannt, kümmert sich um den Alltag einer Stadt mit hunderttausenden Arbeitslosen und Sozialhilfe-Empfängern. Zumindest scheint es so. Die Menschen sollen ihm ihre Sorgen und Nöte mitteilen, betont der 57-jährige Ur-Berliner gerne. "Ich möchte nicht eine Aura haben, wo man sagt: Oh, da kommt der Regierende Bürgermeister, mach' schnell einen Bogen drum!"

Klaus Wowereit in vertraulicher Pose mit der Berliner Entertainerin Désirée Nick (Foto: picture alliance/SCHROEWIG/Dieter Baganz)
Klaus Wowereit in seinem Element: Tête-â-tête mit der Berliner Entertainerin Désirée NickBild: picture-alliance/SCHROEWIG/Dieter Baganz

Über den "Regierenden Partymeister", der angeblich keine Feier auslässt, echauffiert sich die Boulevard-Presse schon längst nicht mehr. Wowereit gelingt es geradezu spielerisch, derlei Kampagnen ins Positive zu wenden. In seiner 2007 erschienenen Biografie verrät der aus einfachen Verhältnissen stammende Polit-Profi, er habe früh gelernt, dass Feiern "gesellschaftlich relevante Termine" seien. So halte er es bis heute.

"...und das ist auch gut so!"

Klaus Wowereit hält seine Biografie '...und das ist auch gut so.' in die Höhe (Foto: AP)
Das Buch zur KarriereBild: AP

Um Politik geht es auf den rund 300 Seiten seiner Biografie eher am Rande, "...und das ist auch gut so", wird sich Wowereit auch in diesem Fall gesagt haben. Dieser Satz folgt auf sein Bekenntnis, schwul zu sein, das der damalige Spitzenkandidat der SPD auf einem Sonderparteitag wenige Tage vor seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister am 16. Juni 2001 ablegt. Natürlich heißt auch sein Buch so.

Noch gewagter und auch provozierender als sein Outing erscheint seinerzeit vielen das Bündnis mit den Postkommunisten, das Wowereit gegen alle Widerstände nach der erfolgreichen Parlamentswahl 2002 durchsetzte. Er rechtfertigt die Rot-Rote Liaison stets mit der Berliner "Modell-Funktion für den Mentalitätswandel" im deutschen Einigungsprozess nach 45 Jahren der Teilung. Vier Jahre später entscheidet sich der erneute Wahl-Sieger Wowereit ein zweites Mal für die Linken. Er tut es mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der von der internationalen Presse als "smart big city boss" oder "glamour guy" gefeiert wird.

"Politiker mit Unterhaltungswert"

Die "Neue Zürcher Zeitung" beschreibt ihn vergleichsweise zurückhaltend als "Politiker mit Unterhaltungswert". Und Wowereits Kollege aus Barcelona, Joan Clos, hätte gerne so viele Möglichkeiten wie der Berliner. Er beneide den Bürgermeister für seine politische Macht, die er gestalten könne, weil er gleichzeitig Ministerpräsident eines Landes sei, sagt der Spanier 2005.

Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, bezeichnet Wowereit als das "personifizierte Aushängeschild" im Wettbewerb der großen Städte. In Zahlen ausgedrückt: 120.000 neue Arbeitsplätze im Zeitraum 2005 bis 2009, auch und gerade im kreativen Bereich, also Film, Medien und Wissenschaft. Lob in den höchsten Tönen heimst die Stadt auch bei Mega-Events wie der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 und erst recht der Fußball-WM 2006 ein.

"Man darf auch stolz auf sich selber sein"

Klaus Wowereit und sein Partner Jörg Kubicki während der Fußball-WM 2006 (Foto: AP)
Fußball-Fan Klaus Wowereit mit seinem Partner Jörn KubickiBild: AP

Wowereit genießt die Wertschätzung in vollen Zügen. "Man darf auch mal stolz auf sich selber sein", freut sich der Sport-Fan, dessen verstorbene Mutter Hertha hieß, so wie der Berliner Fußball-Bundesligist. Im Konzert der Großen habe man nur eine Chance, wenn man Freundlichkeit, Offenheit, Weltläufigkeit und Internationalität demonstriere, ist sich Wowereit sicher. Und für diese Eigenschaften stehe auch die Stadt Berlin.

Im September will Wowereit ein viertes Mal zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Sollte ihm das gelingen, hätte der Sozialdemokrat spätestens im Juni 2012 seinen nächsten großen Auftritt. Dann nämlich soll endlich der von ihm befürwortete Großflughafen vor den Toren Berlins eröffnet werden. Eine Investition, von der sich nicht nur Wowereit weitere Impulse für die boomende Metropole erhofft.

"Berliner bestechen durch Charme und Mutterwitz"

Das Milliarden-Projekt beschreibt der Regierungs-Chef in seiner ganz eigenen Art aus Understatement und Selbstbewusstsein. "Wir bauen keinen Marmor-Palast, aber wir bauen auch keine Wellblech-Hütte." Sondern einen vernünftigen, funktionalen Flughafen, der sich auch architektonisch sehen lassen könne. Der internationale Airport werde eine Visiten-Karte werden, genauso wie der neue Hauptbahnhof, prophezeit der Bürgermeister.

"Typisch Berliner Großschnauze", mosern all jene, denen der Hauptstadt-Hype schon immer suspekt war. Für Klaus Wowereit sind solche Leute die wahren Nörgler. Denn natürlich sind die Bewohner der von ihm regierten Stadt viel freundlicher als ihr Ruf, lässt er in einem Fragebogen des Magazins "Geo Spezial" ausrichten: "Wir Berliner bestechen nämlich durch Charme und Mutterwitz." Wer hätte das gedacht?

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Diana Hodali