Währungspolitik ohne Washington
15. Juli 2014Zu den wichtigsten Vorhaben des zweitägigen Treffens in Fortaleza (15. - 16.07.2014) gehört die Gründung einer Entwicklungsbank und eines alternativen Währungsfonds. "Die Gründung dieser Finanzinstitutionen zeigt, dass die BRICS-Staaten Einfluss nehmen wollen, und zwar konstruktiv. Sie spiegeln die Weltbank und den Internationalen Weltwährungsfond wider", erklärt José Alfredo Graça Lima, Staatssekretär im brasilianischen Außenministerium Itamaraty.
Mit der neuen Entwicklungsbank, die über einen Kapitalstock von 50 Milliarden Dollar und ein Finanzierungsvolumen von 100 Milliarden Dollar verfügt, sollen Infrastrukturprojekte in den sogenannten BRICS-Staaten und in Entwicklungsländern finanziert werden. Der neue Währungsfonds soll Ländern mit Zahlungsbilanz-Problemen helfen. In den brasilianischen Medien wird spekuliert, dass Argentinien das erste Land sein könnte, dass bei der neuen Institution um einen Rettungskredit bittet. Präsidentin Cristina Kirchner hat bereits ihre Teilnahme am Treffen der BRICS-Staatschefs mit den südamerikanischen Amtskollegen am 16. Juli in Brasília zugesagt.
China zahlt am meisten
Doch noch sind viele Fragen offen. Weder der Sitz der neuen Finanzinstitutionen noch der Name oder die Kriterien, nach denen Kredite gewährt werden, sind genau definiert. Nur das Finanzvolumen steht bereits fest. Nach Angaben des brasilianischen Außenministeriums ist der alternative Währungsfonds mit 100 Milliarden Dollar Kapital ausgestattet: Chinas Einlage beträgt 41 Milliarden Dollar, Brasilien, Indien und Russland steuern jeweils 18 Milliarden Dollar bei, und Südafrika zahlt fünf Milliarden Dollar ein.
Die Gründung des Fonds wird nicht nur in Brasilien als Antwort auf den Reformstau beim Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) gedeutet. Denn bei der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF im April dieses Jahres war die bereits 2010 beschlossene Reform des IWF am Veto des amerikanischen Kongresses gescheitert. Sie sah eine Verschiebung der Stimmrechte zugunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer um sechs Prozent vor.
Auf der Suche nach gemeinsamer Identität
"Alle wollen mehr Flexibilität. Die BRICS-Staaten zeigen den USA, dass Veränderungen möglich sind", meint Wirtschaftswissenschaftlerin Lia Valls Pereira vom brasilianischen Thinktank "Instituto Getúlio Vargas". Der Fonds und die Entwicklungsbank könnten dazu beitragen, eine gemeinsame Identität der Gruppe zu bilden.
Itamaraty-Sekretär José Alfredo Graça Lima räumt ein, dass diese Suche noch ganz am Anfang steht. "Es ist leichter zu sagen, was die BRICS nicht sind, als zu sagen, was sie sind", so Lima. "Sie sind keine internationale Organisation, keine Zollunion und keine Freihandelszone", stellt er klar. "Sie sind eher ein Mechanismus, der sich für die Kooperation untereinander als nützlich erwiesen hat."
China ist Brasiliens größter Handelspartner
Die Kooperation konzentriert sich bisher bei allen Mitgliedsländern auf den Handel mit China. Brasiliens Exporte ins Reich der Mitte sind von rund einer Milliarde Dollar im Jahr 2000 auf 46 Milliarden Dollar 2013 angestiegen. Bereits 2012 überholte China die USA und avancierte zum größten Handelspartner Brasiliens.
Die brasilianischen Exporte in die anderen BRICS-Staaten Russland, Südafrika und Indien nehmen sich hingegen bisher bescheiden aus. Nach Angaben des brasilianischen Ministeriums für Außenhandel (MDIC) betrugen die Ausfuhren nach Indien 2013 rund 1,3 Milliarden Dollar, nach Russland knapp drei Milliarden Dollar und nach Südafrika 1,8 Milliarden Dollar.
Historischer Gipfel?
Politisch vereint die Schwellenländer der Wille, die globale Ordnung mit den USA als Hegemonialmacht zu verändern. Die Gründung von Finanzinstitutionen, die sich anschicken die internationale Währungsordnung aufzubrechen, die sich aus dem Bretton-Woods-System in den ersten dreißig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ergeben hat, könnte den Gipfel in Fortaleza deshalb zu einem historischen Ereignis machen.
Für Brasilien wäre dies nach der Fußball-Weltmeisterschaft das zweite bedeutende Ereignis innerhalb weniger Tage. Bisher deutet alles darauf hin, dass auch dieser BRICS-Gipfel in die Geschichte eingehen wird. Denn die Anwesenheit von Chinas Präsident Xi Jinping, Indiens Premierminister Narendra Modi und Russlands Präsident Wladimir Putin macht Brasilien vier Tage lang zur weltpolitischen Bühne.
Ob in Fortaleza auch weltpolitische Themen diskutiert werden, ist allerdings fraglich. Nicht nur Russland und China, auch Indien, Südafrika und Brasilien verfolgen außenpolitisch die gleiche Maxime der Nichteinmischung. Die Ansage von Brasiliens Außenminister Luiz Alberto Figueiredo Machado ist kurz und klar: "BRICS und die Ukraine, das sind Themen, die nicht miteinander vermischt gehören."