Kuba und der Tag Null
31. Dezember 2020Zum 1. Januar war es endlich soweit: der Tag Null der kubanischen Währungsunion. Seit 2013 mehrfach angekündigt, wurde zum Jahreswechsel der 1994 eingeführte Konvertible Peso (CUC), der dem US-Dollar entspricht, aus dem Verkehr gezogen und der Kubanische Peso (CUP) als alleiniges Barzahlungsmittel im Umlauf belassen.
"Die Löhne sollen steigen, die Preise aber auch. Und auch die Grundnahrungsmittel werden teurer", sagt Enrique Delgado aus Havanna mit Blick auf die Reform. Er arbeitet für eine staatliche Behörde; nebenbei verdient er Geld mit Taxifahrten, weshalb er seinen richtigen Namen nicht nennen möchte. "Wir müssen uns eben mal wieder auf etwas Neues einstellen", sagt er achselzuckend.
"Eine sehr ehrgeizige Reform"
Beendet wird mit der Abschaffung des CUC zuvorderst die Praxis unterschiedlicher Wechselkurse - mit Auswirkungen auf den Staatssektor. So gilt für staatliche Unternehmen wie für den Rest der Wirtschaft nun ein einheitlicher Wechselkurs zum US-Dollar von 24:1. Faktisch bedeutet dies eine Abwertung des Pesos für Staatsbetriebe. Die hatten bisher zum Teil mit einem Kurs von 1:1 operiert.
Dieses parallele Währungssystem aber verschleierte die wirklichen Produktionskosten, verbilligte Importe künstlich und ließ Exporte unwirtschaftlich erscheinen. Durch die Abwertung sollen Produktion und Ausfuhren angekurbelt werden.
"Es ist eine sehr ehrgeizige Reform, die sich nicht auf das Monetäre beschränkt, sondern auch eine tiefgreifende strukturelle Anpassung der Volkswirtschaft impliziert", sagt der kubanische Ökonom Juan Triana im Gespräch mit DW.
Mehr Chancengleichheit, höhere Motivation
Die Währungsneuordnung aber wird einhergehen mit einer Lohn- und Preisreform und dem Abbau von Subventionen. Löhne, Renten und deren reale Kaufkraft sollen steigen. Die Reform solle allen Kubanern mehr Chancengleichheit garantieren und größeren Anreiz zur Arbeit schaffen, bekräftigte Präsident Miguel Díaz-Canel bei der Ankündigung der Reform.
"Ab Januar verdiene ich 3620 Pesos. Bisher lag mein Grundgehalt bei 740 Pesos", rechnet Iván Martínez vor, der sein Geld als Radiotechniker bei einem staatlichen Sender verdient. Sein Kumpel Luis Marrero, Fassadenkletterer und "Arbeiter auf eigene Rechnung", wie Kubas Kleinunternehmer genannt werden, ist bei den Gehaltserhöhungen im Rahmen der Währungsreform außen vor. "Ich werde aber meine Preise entsprechend erhöhen", sagt er.
Ab dem 1. Januar gilt auf Kuba ein landesweiter Mindestlohn von 2100 Pesos (rund 75 Euro) pro Monat. Der durchschnittliche Lohn im Staatssektor steigt von derzeit knapp 900 auf rund 3000 Pesos (107 Euro). Die Mindestrente wird von 280 auf 1528 Pesos (55 Euro) angehoben. Das entspricht der Summe des Grundwarenkorbs, der von der Regierung als Existenzminimum angenommen wird.
Erfolg hängt von der Inflation ab
Die libreta, das monatliche Rationierungsheft, wird zunächst beibehalten, soll nach den Plänen der Regierung aber schrittweise abgeschafft werden. Viele bisher subventionierte Grundnahrungsmittel werden deutlich teurer. Die Subventionen für Wasser, Nahverkehr und Strom werden gekürzt.
Noch vor Inkrafttreten der neuen Preise hatte die Regierung aber eine Reduzierung der zunächst geplanten Strom- und Gaspreiserhöhungen angekündigt, nachdem die neuen Tarife für große Unruhe in der Bevölkerung gesorgt hatten.
Die bereits hohe Inflation dürfte aber so oder so zunehmen. "Die Regierung sagt, dass man am Ende mehr Geld in der Tasche haben wird. Aber wir werden weiterhin von Tag zu Tag über die Runden kommen müssen", befürchtet Martínez.
"Was bei einer Abwertung im Allgemeinen passiert, ist ein Preisanstieg", sagt Triana. Die Dynamik des Preisanstieges dürfe jedoch nicht zu einer unkontrollierten Inflation werden. "Im Falle Kubas ist bekannt, dass wir sowohl bei der Produktion als auch beim Angebot ernsthafte Beschränkungen haben. Daher wird die Kontrolle der Inflation eine der wichtigsten und entscheidenden Aufgaben für den Erfolg dieser Maßnahme der Währungsneuordnung sein."
Das Ende der schweren Krise?
Der Moment der Währungsreform sei nicht der beste, so der Wirtschaftsprofessor, und verweist auf das schwierige internationale Umfeld. Allerdings gebe es generell keinen guten Zeitpunkt für eine Währungsreform, in deren Zentrum eine Abwertung steht. "Wenn Länder eine Währungsreform durchführen, liegt dies genau daran, dass sie sich in einer sehr schlechten Lage befinden."
Der coronabedingte Einbruch des Tourismus und verschärfte US-Sanktionen haben Kuba in den vergangenen Monaten in eine schwere Zahlungs- und Versorgungskrise gestürzt. Um dringend benötigte Devisen einzunehmen, eröffnete die Regierung vor einem Jahr staatliche Devisenläden, in denen Haushaltsgeräte und Autoteile und seit Juni auch Lebensmittel und Hygieneartikel per Kartenzahlung in ausländischen Währungen gekauft werden können.
Der Reform mangelt es an Unterstützung
Nun also die Neuordnung des Währungssystems sowie von Löhnen und Preisen. Für die Bevölkerung hat die Abschaffung des CUC selbst wenig praktische Auswirkungen, da CUC und CUP bereits seit Längerem synonym als Zahlungsmittel verwendet werden. Und durch die Teil-Dollarisierung der Wirtschaft hat der US-Dollar den CUC als "starke Währung" abgelöst.
Tatsächlich gibt es heute bereits wieder zwei Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar. Während offiziell 24 CUP einem US-Dollar entsprechen, müssen auf dem Schwarzmarkt mittlerweile 40 CUP und mehr für einen US-Dollar gezahlt werden.
"Der Reform fehlt vor allem Unterstützung", sagt Triana, "Unterstützung in finanzieller Hinsicht, Unterstützung in Bezug auf externe Einnahmen." Damit meint er das Geld aus dem Tourismus und internationale Kredite. "Vor allem aber fehlt die knappste aller menschlichen Ressourcen: Zeit. Es ist nicht möglich, sich alle Zeit der Welt Zeit zu nehmen, um diese Reform durchzuführen. Sie ist notwendig und sie muss in kürzester Zeit positive Ergebnisse erzielen."