Ein gefährliches Unterfangen
12. Juni 2014Auf ein wenig Abkühlung hatte sich Lisa Reefke gefreut, als sie vom Südsudan aus nach Deutschland flog - zur Feierstunde für die deutschen "Peacekeeper", die Mitarbeiter in Friedenseinsätzen. "Aber hier ist es ja genauso heiß wie in Juba", kommentiert sie lächelnd die sommerliche Hitze in Berlin. Juba, die Hauptstadt des erst 2011 gegründeten Staates Südsudan, ist seit letztem Oktober der Einsatzort von Lisa Reefke. Die 37-Jährige arbeitet dort als politische Berichterstatterin für UNMISS, die Mission der Vereinten Nationen. Sie schreibt Berichte über den Verlauf der Mission für den UN-Generalsekretär in New York, 12 bis 14 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche - egal, ob die Klimaanlage läuft oder gerade mal wieder streikt.
Seit zehn Jahren im Einsatz
Dass Lisa Reefke jetzt von der Bundesregierung am "Tag des Peacekeepers" geehrt wurde, zusammen mit acht Kollegen aus anderen Missionen, macht sie "froh und stolz", wie sie sagt. "Es ist eine Anerkennung für die vielen Jahre, die ich in dem Bereich gearbeitet habe." Bevor sie in den Südsudan ging, war die Politikwissenschaftlerin in Timor-Leste und im Libanon im Einsatz, dazwischen bei der UN in Genf und New York. Nach dem Studium an ihren ersten Einsatz "im Feld" zu kommen, war nicht leicht: Auf eigene Initiative flog Lisa Reefke nach Timor-Leste, das gerade unabhängig geworden war. "Ich habe mir einfach ein Ticket gekauft, um mir dort eine Arbeit zu suchen. Ich hatte keinen Rückflug gebucht", erzählt sie. Sie fand einen Job beim Entwicklungsprogramm der UN, das war der Einstieg.
"Bei den Einsätzen erlebe ich vieles, das sowohl beruflich als auch persönlich sehr bereichernd ist", beschreibt sie ihre Motivation. Dazu gehört auch die enge Zusammenarbeit mit den anderen Kollegen in der Mission: "Wir teilen gefährliche Situationen - und auch das aus Deutschland mitgebrachte Schwarzbrot." Für ihren ungewöhnlichen Beruf verzichtet Lisa Reefke auf einiges: "Nicht nur die Arbeit ist stressig, sondern auch das ganze Lebensumfeld. Wir sind Gefahren und Krankheiten ausgesetzt, dazu kommt die Trennung von der Familie."
Der Einsatz im Südsudan stellt die UN-Mitarbeiter auf eine besonders harte Probe: Seit im Dezember blutige Unruhen ausbrachen, haben Zehntausende Menschen Zuflucht auf dem Gelände der UN gesucht und harren bis heute dort aus. In solchen Situationen gelte es, einen kühlen Kopf zu bewahren, sagt Lisa Reefke. "Stressresistenz ist sehr, sehr wichtig".
Kein Job wie jeder andere
"Peacekeeping ist ein schwieriges, oft sogar ein gefährliches Unterfangen", betonte Ralf Brauksiepe, parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, während der Feierstunde im Berliner Schloss Charlottenburg. Ende Mai sind drei deutsche Mitarbeiter der EU-Ausbildungsmission in Dschibuti bei einem Selbstmordanschlag schwer verletzt worden. Die Bundeswehr flog sie zur Behandlung nach Deutschland aus. Auch die OSZE-Beobachter, die Ende April in der Ukraine entführt und mehrere Tage lang festgehalten wurden, haben Schweres durchgemacht. "Man muss immer auf der Hut sein, die Lage richtig einschätzen", sagt Helena Karolina Szydlak, die in der EU-Polizeimission in Kinshasa im Kongo arbeitet und ebenfalls geehrt wurde.
"Die Bundesregierung schickt niemanden leichtfertig in den Einsatz", betonte Martin Ederer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, "aber die Unterstützung multilateraler Friedensmissionen ist ein Kernstück der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik". Und das könne nicht nur mit Soldaten geschehen, die während der Feierstunde im Saal eindeutig in der Mehrheit waren, sondern auch mit Polizisten und zivilem Personal. Gerade den zivilen Ansatz wolle die Bundesregierung stärken, betont Ederer. Damit rennt er bei Lisa Reefke offene Türen ein. "Deutschland könnte sich im Bereich der Konfliktprävention mehr engagieren", sagt sie. Eine Peacekeeping-Mission sei wie ein Pflaster auf einer Wunde, die schon exisitiere. Noch besser sei es, vor dem Ausbruch eines Konflikts schon einzugreifen.