Yellen sieht keine Abkopplung chinesischer von US-Wirtschaft
7. Juli 2023US-Finanzministerin Janet Yellen ist in Peking mit dem chinesischen Premier Li Qiang (Artikelbild) zu Gesprächen zusammengekommen. Dabei sagte die 76-Jährige, dass man gegenüber China einen "gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb" anstrebe, wie aus einer am Freitag vom US-Finanzministerium veröffentlichten Rede hervorgeht. Gleichzeitig betonte Yellen auch, dass die Vereinigten Staaten und China "unter bestimmten Umständen gezielte Maßnahmen" ergreifen müssten, um ihre nationale Sicherheit zu schützen. Meinungsverschiedenheiten dürften jedoch "nicht zu Missverständnissen führen, die unsere bilateralen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen unnötig verschlechtern".
Zuvor hatte die Finanzministerin im Laufe des Tages informelle Gespräche mit dem ehemaligen Vizepremier Liu He und Chinas Zentralbankchef Yi Gang geführt. Janet Yellen befindet sich derzeit auf einem viertägigen China-Besuch, der auch dazu dienen soll, die Kommunikationskanäle zwischen den zwei Staaten wieder stärker zu nutzen. Zuletzt hatte US-Außenminister Antony Blinken im Mai die chinesische Hauptstadt besucht. Die Beziehungen zwischen den zwei Weltmächten befinden sich derzeit auf einem Tiefstand. Belastet wird das Verhältnis vom harten Kurs von US-Präsident Joe Biden gegenüber China, dem anhaltenden Handelskrieg, Chinas Rückendeckung für Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Chinas Territorialansprüchen im Süd- und Ostchinesischen Meer sowie von Drohungen Pekings gegenüber der demokratischen Inselrepublik Taiwan.
Abkopplung wäre "destabilisierend für die Weltwirtschaft"
Eine Entkopplung der chinesischen und der US-Wirtschaft hält Yellen für weder wünschenswert noch realisierbar. "Eine Abkopplung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt wäre destabilisierend für die Weltwirtschaft", sagte sie am Freitag bei einem Besuch in Peking. "Und es wäre praktisch unmöglich." Die USA haben in den vergangenen Monaten damit begonnen, Chinas Zugang zu nach Washingtoner Lesart besonders bedeutsamen Technologien zu beschränken. Der Ansatz wird als "De-Risking" bezeichnet: Abhängigkeiten von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und daraus entstehende Sicherheitsrisiken sollen reduziert werden. "Wir wollen diversifizieren, nicht entkoppeln", sagte Yellen nun.
Am Montag hatte die chinesische Regierung mitgeteilt, ab Anfang August die Exporte von Gallium und Germanium, die für die Chipproduktion essenziell sind, zu beschränken. Der Schritt galt als Reaktion auf US-Exportbeschränkungen von Halbleitern nach China, auch wenn Peking im Vorfeld von Yellens Besuch beteuerte, mit den Maßnahmen "kein Land im Visier" zu haben. Die US-Finanzministerin zeigte sich im Gespräch mit US-Geschäftsleuten in China dennoch "besorgt". "Wir sind noch dabei, die Auswirkungen dieser Maßnahmen zu bewerten, aber sie erinnern uns daran, wie wichtig es ist, widerstandsfähige und diversifizierte Lieferketten aufzubauen."
Yellen war am Donnerstag zu einer viertägigen Visite in der Volksrepublik eingetroffen. Nach offiziellen Angaben stehen eine Reihe von Themen auf der Agenda, darunter die Lage der Weltwirtschaft, der Klimawandel und die Schuldenlast ärmerer Länder. Peking hatte im Vorfeld des Besuchs einen optimistischen Ton angeschlagen. Das Finanzministerium erklärte am Freitag, dass es sich eine "Stärkung der Kommunikation und des Austauschs zwischen den beiden Ländern" erhoffe. "Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und den USA sind für beide Seiten vorteilhaft und gewinnbringend, und es gibt keinen Gewinner eines Handelskriegs oder einer 'Entkopplung und Entflechtung'."
hb/tko (dpa,afp)