Zahlen für die Staatsbürgerschaft
28. Juli 2014Sie kommen für ein besseres Leben, für mehr Freiheit nach Europa. Aber sie landen nicht etwa auf einem Boot mit hundert anderen Flüchtlingen vor Lampedusa, sondern reisen in der Business-Klasse einer edlen Fluggesellschaft nach Malta, Lissabon oder Andalusien. Sie sind nicht arm, im Gegenteil: Sie sind Millionäre aus Nicht-EU-Staaten, die sich frei in Europa bewegen möchten.
Programme, die den Erwerb von europäischen Pässen für wohlhabende ausländische Investoren beschleunigen, gibt es schon länger in Europa. Großbritannien ist eins der ersten europäischen Länder, das reiche Drittstaatsangehörige eingebürgert hat. Seit 2012 hat sich ein regelrechter Wettbewerb entwickelt: Zahlreiche europäische Staaten konkurrieren um die Zuwanderer - mit immer günstigeren Preisen und weniger Voraussetzungen auf dem Markt der Nationalitäten.
Laute Kritik am "goldenen Visum"
"Es muss unterschieden werden zwischen den 'goldenen Visa', bei denen es sich um ein Investoren-Einwanderungsprogramm handelt, das eine vereinfachte Einwanderungsregelung für die reiche Drittstaatenangehörige vorsieht, und dem sogenannten "Citizenship for Sale" -Programm, bei dem es um den Verkauf von Nationalitäten geht“, sagt Katharina Eisele vom Zentrum für Europäische Politikstudien (CEPS) in Brüssel im DW-Gespräch.
2013 hat die maltesische Regierung eine Gesetzesinitiative vorgeschlagen, die sich "Individual Investor Program" nennt. Demnach konnte man für eine bestimmte Summe Geld die maltesische Nationalität erwerben. Dieses Gesetz stellte nicht die Anforderung, dass der neue Bürger bereits vor seiner Einbürgerung auf Malta wohnen musste.
Die anderen EU-Mitgliedstaaten haben sofort darauf reagiert: Durch diese Hintertür könne man die generellen Einwanderungsregelungen umgehen, so die Kritik. Im Fall von Malta sind zunächst die Opposition, dann die Europäische Kommission und das Europäische Parlament eingeschritten. Es müsse eine echte Verbindung zwischen Staat und Person geben, bevor die Staatangehörigkeit verliehen werde, erklärte die EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft Viviane Reding. Durch EU-Recht wurden Einwanderer verpflichtet, vor der Einbürgerung mindestens zwölf Monate in Malta gewohnt zu haben.
Malta - ein Einzelfall?
Heute ist Malta kein Einzelfall mehr. Auch Portugal, Spanien, Zypern und Bulgarien haben in den vergangenen Jahren Investoren-Programme eingeführt. In Spanien und Portugal heißt das Programm "Goldenes Visum". Ein Immobilienkauf im Wert von 500.000 Euro ist der Preis des goldenen Visums in Portugal. Sieben Tage Aufenthalt im ersten Jahr und 14 im zweiten reichen dann aus, um nach fünf Jahren die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Nach sechs Jahren können die Investoren die portugiesische Staatsangehörigkeit beantragen - und nach dem Erwerb der Nationalität gibt es keine Vorschriften, wo sie ihr Kapital lagern müssen.
Die andere Möglichkeit für den Erwerb der EU-Bürgerschaft von Portugal wäre die Überweisung von einer Million Euro auf ein Konto bei einer portugiesischen Bank, oder die Gründung eine Firma mit mindestens 30 Arbeitsplätzen.
Diese Regelung habe allerdings ein entscheidendes Manko, berichtet die Zeitung Público im April 2014: Bisher gab es noch keinen einzigen Visums-Antrag, dem eine Investition vorausgegangen wäre, die tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen hätte. Bemerkenswert findet Eisele, dass die Staatsangehörigkeit auf einmal einen Preis hat - und dadurch teilweise reichen Drittstaatsangehörigen vorbehalten bleibt. "Damit findet gegenüber weniger wohlhabenden Menschen eine Diskriminierung statt", sagt sie.
Teure Visa als Krisenstrategie
Im Oktober 2012 hat Portugal mit der Verleihung von goldenen Visa angefangen. Das Land war stark von der Euro-Krise betroffen. 2011 trat Portugal unter den europäischen Rettungsschirm, dieses Jahr hat es ihn wieder verlassen. Der positive Einfluss des Visa-Programms auf den Immobilienmarkt ist schon deutlich sichtbar: Portugal hat im Jahr 2013 knapp 580 goldene Visa vergeben. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2014 habe sich die Zahl verdoppelt, sagt Vanessa Lima, die Marketing-Koordinatorin der führenden Immobilienfirma Portugal Property. "Asien ist zur Zeit die Region, auf die wir uns konzentrieren. Ein erheblicher Anteil der Anfragen, die wir bekommen, stammt von hier."
Die jüngste Reise der Firma ging zu Immobilien-Präsentationen nach Vietnam. Bilanz der Reise: Sie haben innerhalb einer Woche zwei Verkaufsverträge für goldene Visa abgeschlossen, berichtet Lima.
Wer sich dies allerdings nicht leisten kann, dem bleibt nur das Floß. Und dass sich die Wege der wohlhabenden und der verarmten Einwanderer in Europa dann irgendwann kreuzen, ist nicht einmal unwahrscheinlich: Manch eine der Villen, die reiche ausländische Investoren heute auf Malta, in Portugal oder in Spanien besitzen, könnte von ausländischen Bauarbeitern errichtet worden sein, deren Europareise auf Lampedusa angefangen hat...