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Zehn Jahre Papst Franziskus: vertraut und fremd

13. März 2023

Als das Konklave Jorge Bergoglio aus Argentinien am 13.3.2013 zum Papst kürte, rätselte die Welt über diese Wahl. Seit 10 Jahren ist er Papst Franziskus. Was hat er erreicht?

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13. März 2013: Der neue Papst Franziskus auf einem Balkon im Vatikan
13. März 2013: Der neue Papst FranziskusBild: picture-alliance/dpa

"Ihr wisst, es war die Aufgabe des Konklaves, Rom einen Bischof zu geben. Es scheint, meine Mitbrüder, die Kardinäle, sind fast bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu holen..."

Nur Wenige kannten den Kirchenmann, der da auf der Loggia des Petersdoms stand und sich an die Welt wandte. Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, war nie sonderlich medial aufgefallen.

So fragten sich viele Zuschauer "Jorge wer?...", als der Name genannt wurde. Kirchenexperten allerdings wussten prompt, dass der damals 76-Jährige bereits 2005 im Rennen um die Nachfolge des verstorbenen Papst Johannes Paul II. war, aber gegen den Deutschen Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI., das Nachsehen hatte.

Extra-Zeitung in Argentinien mit dem Papst auf dem Titelblatt wird von einem Zeitungsjungen hochgehalten
Argentinien feierte Franziskus nach der Wahl als "argentinischen Papst"Bild: picture-alliance/dpa

Zehn Jahre später wollen immer noch viele Menschen in aller Welt wissen, wer dieser Papst nun ist, wofür er steht. Oft wirkt er den Menschen vertraut, in manchem bleibt er fremd. Zumindest eins ist klar: Papst Franziskus ist anders als seine Vorgänger.

Das Programm des Namens

Bergoglio wählte - und das war eine Sensation in der Sensation - als erster Papst überhaupt den Namen Franziskus. Zwar schwärmten Päpste immer wieder von dem Ordensgründer Franziskus (1181/82-1226) und dessen Ausrichtung an radikaler Armut. Aber sie entschieden sich nie für diesen programmatisch anmutenden Namen.

Das Fresko aus dem 13. Jahrhundert zeigt Franz von Assisi
Das Fresko aus dem 13. Jahrhundert zeigt Franz von AssisiBild: picture-alliance/dpa

"Papst Franziskus ist ein franziskanischer Jesuit", sagt der niederländische Vatikan-Korrespondent Hendro Munsterman der Deutschen Welle. "Er hat das Prophetische des Franz von Assisi. Er schätzt Armut, Einfachheit, die Umwelt, den interreligiösen Dialog. Er will die Kirche wie der Heilige aus dem 13. Jahrhundert reparieren, weil sie kaputt ist."

Munsterman, selbst Theologe, beobachtet und analysiert Franziskus schon seit Beginn des Pontifikats. Für die Armut und Schlichtheit standen seit März 2013 sogleich viele kleine Zeichen: Franziskus, der sich in ausgelatschten Schuhen bewegte, nahm nicht im Apostolischen Palast Quartier, sondern im Gästehaus des Vatikan. Er stellt immer wieder Menschen vom Rand der Gesellschaft, Flüchtlinge, Migranten in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Wenn er auf Reisen ist, sieht man ihn im italienischen Kleinwagen.

Hinwendung zu den Rändern

Diesen kleinen Zeichen stehen große Worte gegenüber. Mit seiner Umweltenzyklika "Laudato si", in der er im Jahr 2015 einen besseren Umgang mit der Schöpfung und mit den Menschen fordert, sorgt Franziskus weltweit für Schlagzeilen. Es war, ganz nebenbei, auch sein Versuch, Einfluss zu nehmen auf die Weltklimakonferenz, die im Herbst 2015 in Paris tagte. Nicht wenige seiner 40 Auslandsreisen führten ihn an die Ränder der Weltgemeinschaft oder der jeweiligen nationalen Gesellschaften. Je länger er im Amt ist, desto schärfer klagt er die Industrieländer und gerade die Europäer an. Und in der Corona-Pandemie mahnte er stets Hilfen mit Impfstoffen für ärmere Länder an.

November 2014: Der Papst redet  im Europäischen Parlament in Straßburg
November 2014: Der Papst als Mahner im Europäischen Parlament in StraßburgBild: abaca/picture alliance

Das passt zu einer vielleicht nicht geopolitischen, aber doch geo-kirchenpolitischen Veränderung. Franziskus ist kein Europäer - und das in einer traditionell europäisch geprägten und europa-zentriert denkenden katholischen Kirche. "Es ist klar, dass Papst Franziskus der erste wirklich globale Papst ist, ein nicht-westlicher Papst, der den Katholizismus von der Idee eines moralistischen bürgerlichen Mittelklassekatholizismus befreit hat, der noch definierte, was Katholizismus ist", sagt der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli der DW.

Abschied von Europa

Der Gedanke drängt sich auf, wenn man auf Statistiken schaut. Weltweit gibt es nach den jüngsten Zahlen, die Anfang März veröffentlicht wurden, 1,378 Milliarden Katholikinnen und Katholiken. Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der Gläubigen in Afrika und Asien und ihr Anteil an der weltweiten Gesamtzahl der Katholiken zu. In Europa stagniert diese Zahl. Die Zahlen an Geistlichen und Ordensleuten entwickeln sich ähnlich. Zum Teil driften die verschiedenen katholischen Prägungen auseinander; die weltweite katholische Kirche, so scheint es, ist eine Vielheit katholischer Kirchen.

Im Rollstuhl zu Gast in Afrika: Franziskus im Februar 2023 im Südsudan
Im Rollstuhl zu Gast in Afrika: Franziskus im Februar 2023 im SüdsudanBild: VATICAN MEDIA/REUTERS

Franziskus wurde Papst, als Missbrauchsskandale die katholische Kirche schon in ganz unterschiedlichen Regionen der Welt erschüttert hatten. Das dachte man zumindest. Heute ist die Frage der sexuellen Gewalt durch Männer der Kirche ein tatsächlich weltweites Thema. Und Franziskus geht diese dramatische Situation deutlicher an als seine Vorgänger. Manchen im Vatikan geht er zu weit. Er geht es, vor allem, in anderer Weise an. Grundsätzlich. Franziskus verordnet der Kirche ein Nachdenken über sich selbst. Und dazu setzt er auf viel mehr Dialog, viel mehr Gespräch und Aushalten anderer Meinungen, als Gläubige es aus den Jahren autoritärer Führung aus dem Vatikan gewohnt waren.

Synode - Kirche im Dialog

In kirchlicher Sprache ist der Begriff für dieses dialogische Bewusstsein "Synodalität". Das heißt in etwa: Kirche ist gemeinsam und im Austausch miteinander unterwegs. Bei seinen Vorgängern waren Bischofssynoden im Vatikan vorgefertigte Bekräftigungsveranstaltungen. Franziskus will offene und auch kontroverse Debatten. Das heißt indes nicht, dass er den Impulsen immer konkrete Veränderungen folgen lässt.

Franziskus 2019 am Rande der Amazonas-Synode im Vatikan
Franziskus 2019 am Rande der Amazonas-Synode im VatikanBild: Imago Images/Independent/Catholic Press/M. Migliorato

Kirchenhistoriker Faggioli macht dies an konkreten Beispielen deutlich, an offenen Fragen: "Was wird mit der Rolle der Frauen in der Kirche geschehen, mit den Frauen im Diakonat, aber auch mit den Frauen in Ämtern im Allgemeinen?"

Die Frage stelle sich auch für weitere theologische und strukturelle Reformen, insbesondere in Bezug auf die Kirchenleitung.

Die gegenläufigen Erwartungen

"Das Prophetische und das vorsichtig Zweifelnde", sagt Theologe Munsterman, "gehen in Papst Franziskus zusammen". Dabei mache er alle unruhig, "diejenigen, die Veränderungen wollen (und auf schnelle Entscheidungen hoffen), und diejenigen, die im Gegenteil alles beim Alten lassen oder vielleicht sogar in die gute alte Zeit der heilen Welt des Bayern von Benedikt XVI. zurückkehren wollen". 

Franziskus und sein Vorgänger Benedikt XVI. im Sommer 2017 stehen sich gegenüber und halten sich die Arme
Franziskus und sein Vorgänger Benedikt XVI. im Sommer 2017Bild: L'Osservatore Romano/Pool Photo/AP/picture alliance

Längst ist Franziskus einer der ältesten Päpste der Kirchengeschichte. Älter als Benedikt (2005-2013) bei seinem Rücktritt, älter als Johannes Paul II. (1978-2005) beim Tod. Mittlerweile bewegt sich Franziskus häufig im Rollstuhl, auf Reisen wird sein Programm übersichtlicher. Und doch bleibt nach Auffassung der Experten bei seinem zehnten Jahrestag die Frage nach dem, was sein Pontifikat prägen wird. Schon heute sind die katholische Kirche und das Papstamt anders als 2013.

Franziskus, sagt Munsterman, sei ein Papst, "der in Prozessen denkt". Sein prophetisches Reden setze Prozesse in Gang und wolle herausfordern. Dabei wolle der Papst aus dem Jesuitenorden diese Prozesse aber geistlich leiten.

Für Faggioli bleibt das größte Problem "der offene, noch ungewisse Ausgang" des synodalen Prozesses hin zur Synodalität. "Das ist die größte Wette", sagt der Wissenschafter. Da gehe es um die langfristige Bedeutung von Papst Franziskus. "Und die nächsten zwei Jahre werden entscheidend sein."