Zeichen des Abschwungs
7. Oktober 2014Die deutsche Industrie hat im August fast fünf Prozent weniger produziert als im Juni, die Aufträge sind sogar um rund sechs Prozent eingebrochen. Das sind die stärksten Rückgänge seit dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise Anfang 2009.
Besonders stark getroffen ist jene Branche, die als der Motor der deutschen Wirtschaft gilt: die Hersteller von Investitionsgütern, also Anlagen- und Maschinenbauer.
Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von einer "Schwächephase", versucht aber gleichzeitig, das Bild weniger düster erscheinen zu lassen. Durch die Ferien im August werde der Rückgang "überzeichnet".
Die beschwichtigenden Töne aus der Politik wirken wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Denn die schlechten Zahlen sind nicht die einzigen Hinweise auf einen kommenden Abschwung.
Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen, die das ifo-Institut regelmäßig ermittelt, hat sich in den vergangenen Monaten immer weiter verdüstert, noch schlechter sieht es bei Aktienanlegern und Analysten aus. Selbst die Kauflaune der Verbraucher, die bisher immer als Beleg für die gute Wirtschaftslage in Deutschland angeführt wurde, hat sich zuletzt zweimal in Folge eingetrübt.
Und nun also auch die Industrie, die besonders abhängig ist von Exporten. Wenn die Wirtschaft im Ausland nicht rund läuft, sinkt auch die Nachfrage nach deutschen Produkten.
Der Internationale Währungsfonds hat seine Erwartungen für die Weltkonjunktur gerade erneut gesenkt. Die Lage in großen Schwellenländern wie China und Brasilien bleibt schwierig, Konflikte wie die Sanktionen gegen Russland oder der Kampf gegen den Terror in Irak und Syrien vergrößern die Unsicherheit zusätzlich.
Der wichtigste Grund für den Einbruch ist jedoch die nicht enden wollende Krise in Europa. Zwei Drittel der deutschen Exporte gehen in die Europäische Union, der Großteil davon in die Länder der Eurozone.
Gut für Europa?
Die Zahlen zeigen: Ohne starke europäische Nachbarn hat die deutsche Wirtschaft wenig Zukunft. In diesem Sinne könnten sich die schlechten Nachrichten für Europa als gut erweisen. Dann nämlich, wenn auch die deutsche Bundesregierung erkennt, dass eine Lösung der Krise im Euroraum höchste Priorität haben muss.
Bisher hat sie sich darauf beschränkt, das deutsche Modell selbstherrlich als Vorbild zu preisen und die schwächelnden europäischen Volkswirtschaften zu drängen, die Spar- und Reformanstrengungen noch zu verschärfen.
Wirklich solidarischen Lösungsansätzen hat sich Kanzlerin Merkel dagegen immer widersetzt: von Eurobonds, also gemeinsamen Staatsanleihen, bis zur einer gemeinsamen Einlagensicherung bei der Bankenunion.
Erfolge hat die von den Deutschen forcierte Krisenpolitik bisher nicht vorzuweisen - die Wirtschaft in Europa stagniert, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Sozialsysteme in vielen Ländern geschwächt, und nationalistische Parteien gewinnen an Zulauf.
Zugegeben: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Hinweise auf einen kommenden Abschwung bei der Bundesregierung zu einem Umdenken in Sachen Europa führen werden. Und doch läge das im deutschen Interesse.
Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis chinesische Hersteller Maschinen- und Anlagen bauen, die eine ernste Konkurrenz für deutschen Produkte sind. Wenn sich Europa bis dahin nicht erholt hat, wird es auch in Deutschland ungemütlich.