Wie Illustratoren den Brexit aufspießen
18. Februar 2019Nur noch wenige Wochen, dann tritt Großbritannien aus der Europäischen Union aus. Unter Europas Künstlern und Intellektuellen stößt der Schritt vielerorts auf Unverständnis. "Die fatale Entscheidung für den Brexit, mit der das Land sich - wie mir scheint - in massiver Weise selbst schadet, erfüllt mich mit Ungläubigkeit, Schmerz und Wut", bringt es Axel Scheffler auf den Punkt. Der aus Hamburg stammende Vater der Kinderbuchfigur Grüffelo lebt seit bald drei Jahrzehnten in London. Er hat Kollegen gebeten, ihre Vision von Europa zu Papier zu bringen.
Auf Schefflers Geheiß spitzten 45 Zeichnerinnen und Zeichner ihre Stifte. Das Buch "Drawing Europe Together" erschien dann zuerst im November bei Macmillan in Großbritannien; jetzt folgt die deutsche Ausgabe "Zeichnen für ein Europa" im Weinheimer Verlag Beltz & Gelberg. Ein Werk von Scheffler ziert den Titel: Darauf schultert ein ganzer Tross gutgelaunter Tiere die Zeichenstifte - Aufbruch in ein zusammenwachsendes Europa.
Europas Party ohne die Briten
Patrick Georges Vorstellung von Europa gleicht einer vielstimmigen, bunten Kinderparty. Die Kinder plappern aufgeregt miteinander. Nur das britische hängt abseits an einem roten Luftballon, der es in den Himmel zieht. Das Mädchen versteht nicht, warum es die Party verlassen muss. "Nach diesem lächerlichen Referendum sehen wir einer ungewissen Zukunft entgegen", erklärt der Zeichner in einem Kommentar. George stammt aus Ramsgate, einem alten englischen Seebad, in dem die Einwohner mit großer Mehrheit für den Brexit gestimmt haben.
Interessant ist auch die Zeichnung von Emily Gravett, einer bekannten britischen Illustratorin und Kinderbuchautorin. Neben einer großen, üppig bestückten Käseplatte, über der ein Europafähnchen weht, sitzt eine britische Maus alleine unter einer Käseglocke und knabbert an einem alten Stück Käse. Gravetts Bild für die Folgen des Brexit versteht jedes Kind.
Ein politisches Buch
Die Idee der Illustrationen und Zeichnungen zur EU hatte Markus Weber, Verleger des Moritz Kinderbuch-Verlags, während der Frankfurter Buchmesse 2017. Er schlug Axel Scheffler vor, auch britische Illustratoren ins Boot zu holen. Entstanden ist nun sicherlich kein Kinderbuch: "Natürlich ist das ein politisches Buch", sagt Weber, "die Künstler zeigen hier mehr als nur Häschen und Bärchen."
Wie Scheffler, dessen Grüffelo-Monster deutschen wie britischen Kindern vertraut ist, haben viele der Zeichnerinnen und Zeichner die Hoffnung, dass es nicht zum Brexit kommt. Für das Projekt hat Scheffler berühmte Kollegen gewonnen: die mehrfache deutsche Kinder- und Jugendliteraturpreisträgerin Jutta Bauer ebenso wie Judith Kerr. Die 95-Jährige entstammt einer deutsch-jüdischen Emigrantenfamilie. In Großbritannien wurde sie berühmt mit Bildergeschichten über den Kater Mog und den Tiger, der zum Tee kommt.
"Meine große persönliche Hoffnung besteht darin", schreibt Scheffler in seinem Vorwort, "dass es noch nicht zu spät ist, den Kurs Großbritanniens hinaus aus der EU zu ändern." Und Judith Kerr, die Grande Dame der europäischen Jugendliteratur, lässt Tiger und Kater fröhlich die blaue EU-Fahne schwenken, begleitet von Kerrs Ruf: "Auf geht's, Europa!"