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Zentralafrika: Keine Wunder erwarten

Theresa Krinninger7. Juli 2016

Frieden und Sicherheit - dafür sollte der neue Präsident der Zentralafrikanischen Republik sorgen. Faustin Archange Touadéra ist seit 100 Tagen im Amt. Von der ersehnten Stabilität ist sein Land noch weit entfernt.

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Zentralafrikanische Republik Blauhelmsoldat (Foto: MARCO LONGARI/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/M. Longari

Ein Blauhelmsoldat getötet, sechs Polizisten entführt, drei Angreifer der muslimischen Séléka-Miliz erschossen - Meldungen aus der Hauptstadt Bangui im Juni. Und nicht nur dort brodelt es: "Die Regierung kann den kompletten Nordosten und Osten des Landes nicht kontrollieren", sagt Thierry Vircoulon im DW-Interview. Er ist Zentralafrika-Experte am Französischen Institut für Internationale Angelegenheiten (ifri). Auch in der zweitgrößten Stadt Bambari im Zentrum des Landes habe es Anfang Juli noch Kämpfe gegeben, sagt Virculon: "Im Nordwesten und Westen treiben sich weiterhin bewaffnete Gruppen herum." Bei Zusammenstößen zwischen Rebellen in Bambari starben laut Nachrichtenagentur AFP Anfang der Woche mindestens zehn Menschen.

"Man kann keine Wunder erwarten"

Das alles lässt die Hoffnungen auf Frieden und Stabilität in der Zentralafrikanischen Republik vorerst schwinden. Laut Vircoulon hat sich die Lage im Land seit den Wahlen kaum verändert. Das überrascht ihn nicht: "Man kann keine Wunder erwarten, wenn eine neu gewählte Regierung keine Kapazitäten hat, die Sicherheit und Grundversorgung der Menschen zu gewährleisten."

Im März 2013 putschte die mehrheitlich muslimische Séléka-Rebellengruppe den autoritären Präsidenten François Bozizé aus dem Amt. Seitdem hat sich das Land nicht erholt: Regelmäßig flammte die Gewalt zwischen der Séléka und der christlichen Anti-Balaka-Miliz auf. Die Sicherheitskräfte zersplitterten und die Übergangsregierung unter Catherine Samba-Panza stand dem Chaos machtlos gegenüber.

Flüchtlingszentrum in Zongo, Zentralafrikanische Republik (Foto: DW/W. Bashi)
Fast eine halbe Million Menschen auf der FluchtBild: DW/W. Bashi

Jetzt ist es die Aufgabe von Faustin Archange Touadéra, das Land zu befrieden. Er war zwar bei den Wahlen als unabhängiger Kandidat angetreten, steht aber Bozizé nahe: Von 2008 bis 2013 war er unter ihm Premierminister.

Seit Beginn der Krise sind die die Flüchtlingszahlen laut Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks auf fast eine halbe Million gestiegen. Viele Zentralafrikaner leben in Camps innerhalb des Landes oder sind in die Nachbarländer Tschad und Kamerun geflohen. Erst vergangene Woche kamen wieder Tausende im Tschad an.

Touadéra als Versöhner?

Dabei schien in der Hauptstadt wieder Normalität einzukehren. Laut dem Zentralafrika-Experten Vircoulon hat sich Touadéra für die Versöhnung zwischen Christen und Muslimen eingesetzt. Beispielsweise feiere er als Christ gemeinsam mit muslimischen Glaubensführern das Ende des Fastenmonats Ramadan in Bangui. Das habe Signalwirkung, sagt Vircoulon..

Zentralafrikanische Republik Wahl 2016 Faustin Archange Touadera (Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images)
Hohe Erwartungen: Faustin Archange ToadéraBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Von friedlichem Nebeneinander in Bangui berichtete auch DW-Korrespondent Benjamin Baramoto. "Christen und Muslime betrachten sich nicht mehr als Feinde. Händler beider Religionen sitzen auf dem Markt nebeneinander und unterhalten sich ganz normal, während sie auf ihre Kunden warten." So beschrieb der Journalist Anfang Juni die Lage im muslimischen PK5-Viertel. Solch eine gute Stimmung sei noch vor einem halben Jahr nicht denkbar gewesen. Denn bislang war das Viertel einer der Hauptschauplätze der Gewalt. Doch noch immer ist der Frieden dort brüchig: Ende Juni kam es wieder zu Ausschreitungen. Séléka-Milizionäre entführten sechs Polizisten, sie konnten später befreit werden

Schritt für Schritt zur Demokratie

Die Regierung bleibt dennoch hoffnungsvoll: "Das Land normalisiert sich und die zentralafrikanische Demokratie festigt sich langsam", sagt Regierungssprecher Albert Mokpem im Gespräch mit der DW. Touadéra habe seine Regierung gebildet und die Nationalversammlung ihren Vorsitzenden gewählt. "Diese Strukturen festigen sich Schritt für Schritt", sagt Mokpem.

Das kann man nicht von der zentralafrikanischen Armee behaupten. Sie hatte sich in Folge des Putsches 2013 komplett aufgelöst, viele Soldaten waren zu den Anti-Balaka- oder Séléka-Milizen übergelaufen. "Wir haben keine Armee, die unser Land sichern kann", sagt Mokpem. Bislang gelte ein Embargo, das keine Waffenlieferungen an die Armee zulasse. "Von unseren eigenen Sicherheitskräften bleibt uns momentan nur unsere Polizei", sagt Mokpem.

Verzweifelt gesucht: Eine zentralafrikanische Armee

Bislang sind die 12.000 Soldaten der UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik (MINUSCA) auf sich gestellt. Direkt nach Touadéras Antritt hatte die frühere Kolonialmacht Frankreich ihre eigene Mission Sangaris abgezogen. Für Sicherheitsexperten Vircoulon ist klar: "Die zentralafrikanische Republik braucht eine funktionierende eigene Armee." Die MINUSCA schaffe es nicht, alleine für Sicherheit zu sorgen. "Es gibt aber auch keine Einigung zwischen der internationalen Gemeinschaft und der Regierung, wie die Armee genau aussehen soll", sagt Vircoulon.

UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein bei PK in Genf (Foto: FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images)
UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-HusseinBild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Selbst ohne funktionierende Armee sind viele Waffen im Umlauf - oft in den falschen Händen. Deshalb fordert jetzt auch der Hohe Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Zeid Ra'ad Al Hussein, die bewaffneten Gruppen zu entwaffnen. Die Lage bleibe weiterhin instabil und könne in den nächsten Monaten sogar eskalieren, so seine Warnung.

Mitarbeit: Kossivi Tiassou, Benjamin Baramoto