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Zerrbild der Ukraine im russischen Fernsehen

Yulia Vishnevets / Alexander Warkentin13. Dezember 2013

Die Ereignisse in der Ukraine sind das Top-Thema in den russischen Medien. Journalismus und Propaganda liegen hier eng beieinander. Die DW hat zwei Deutsche in Moskau dazu befragt.

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Menschen auf dem Kiewer Unahängigkeitsplatz (Foto: REUTERS/Vasily Fedosenko)
Bild: Reuters

"In den russischen Medien wird zwar über die Ukrainer gesprochen, aber nicht mit den Ukrainern. Das halte ich für den wichtigsten Minuspunkt", meint der Buchautor Ulrich Heyden. Seit Jahren lebt er in Moskau und berichtet für deutschsprachige Medien.

"Putin und die große Propagandamaschine haben in den vergangenen Jahren sehr stark die alte, im Grunde noch aus der Stalin-Zeit stammende Idee wieder in die Köpfe der Leute eingehämmert, dass Russland von Feinden umgeben sei. Und gleichzeitig, dass es auch im Inneren des Landes Agenten gebe, die mit diesen Feinden zusammenarbeiten, so eine Art 'fünfte Kolonne' ", beschreibt Jens Siegert den Grundtenor der Berichterstattung über die Ukraine in den staatlichen russischen Medien. Siegert leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau.

Verschwörung fremder Kräfte

Das russische Fernsehen schaltet Jens Siegert nur ein, wenn er den Standpunkt des Kreml erfahren möchte: "Die russische Regierung vermittelt dem Zuschauer den Eindruck, dass die EU schrecklichen Druck auf die arme Ukraine ausübe, der EU beizutreten. Und dass sie das vor allem macht, weil es mit der EU in vielen Dingen, vor allem wirtschaftlich, bergab geht. Und das Ziel sei deshalb, die Ukraine wirtschaftlich auszusaugen."

Portrait von Jens Siegert (Foto: Foto: Heinrich Böll Stiftung/Andrea Kroth dpa)
Jens Siegert: Das russische Fernsehen transportiert den Standpunkt des KremlBild: Heinrich Böll Stiftung/Andrea Kroth

Den gleichen Eindruck hat auch Ulrich Heyden. In Talkshows würden russische Politologen behaupten, die EU hätte einen strategischen Plan entwickelt, um die Ukraine als Absatzmarkt für die eigenen Produkte zu nutzen. Schlimmer noch, ein langfristiges Ziel des Westens sei es, die Ukraine sogar in die NATO einzubinden.

Medien, die um eine objektive Berichterstattung bemüht sind, kann man in Russland an den Fingern einer Hand abzählen: der Rundfunksender "Echo Moskwa", der Internet-Fernsehsender "Doschd", einige unabhängige Printmedien mit geringer Auflage und Internetportale. Hauptinformationsquelle bleibt jedoch das staatliche Fernsehen.

Interpretation statt Information

Dort fange die Desinformation schon bei den Zahlen an, so Jens Siegert. Wenn bis zu einer Million Menschen in Kiew demonstrierten, das russische Fernsehen aber Bilder von nur 50 Leuten zeige, sei das nicht mehr seriös. Die Zahlen, die Polizei und Opposition bei den Protesten angeben, würden zwar differieren. Aber wenn sogar die ukrainische Polizei von 50.000 Menschen spreche und das russische Fernsehen von 200, dann könne das schlicht nicht stimmen.

"Es gab letztens eine Situation, wo im TV gezeigt wurde, dass ein Demonstrant bezahlt worden sei, damit er demonstriert. Und dazu wurde gesagt: seht, das sind die Methoden der EU-Freunde. Die bezahlen die Leute, damit sie gegen Russland demonstrieren. Nachher stellte sich heraus, dass das ein pro-Janukowitsch Demonstrant war", berichtet Siegert. Wenn ständig Beispiele im russischen Fernsehen gezeigt würden, die so zweifelhaft oder an den Haaren herbeigezogen seien, würde am Ende einiges doch im Hinterkopf des Zuschauers hängen bleiben nach dem Motto "Kein Rauch ohne Feuer".

Freunde in der Ukraine sind so nicht zu gewinnen

Auch Ulrich Heyden moniert, dass das russische Fernsehen vor allem extreme Erscheinungen darstelle. Zum Beispiel den Sturz der Lenin-Statue in Kiew oder die Beteiligung von Rechtsradikalen der nationalistischen "Swoboda"-Partei. Aber einfache Demonstranten, ganz normale Bürger würden nicht interviewt. Es sei meistens so, das ein Korrespondent im Vordergrund stehe, der seine eigene Interpretation der Ereignisse zum Besten gebe. Ein russischer Fernsehzuschauer habe keine Möglichkeit zu erfahren, warum, wogegen oder wofür eigentlich die Leute demonstrieren würden.

Portrait von Ulrich Heyden (Foto: Ulrich Heyden)
Ulrich Heyden kritisiert die Ukraine-Berichterstattung im russischen FernsehenBild: Privat

Das russische Staatsfernsehen kann auch in der Ukraine fast überall empfangen werden. Ulrich Heyden meint, diese Art Berichterstattung über die Ukraine im russischen Fernsehen sei nicht dazu angetan, die Ukrainer als Freunde Russlands zu gewinnen. Manche Ukrainer seien verärgert, andere nähmen das mit Humor. Neulich musste ein Korrespondent des russischen Fernsehens in Kiew einen Preis entgegennehmen, der eigentlich für einen der Chef-Propagandisten des Fernsehkanals "Rossija" gedacht war. Vergeben wurde der Preis: "Für die dreistesten Lügen über den Maidan."