Zu zweit gegen die EU
21. September 2017Reisediplomatie: Viktor Orban ist wieder einmal in Warschau. Formal ist die Reise des ungarischen Regierungschefs der Gegenbesuch für Beata Szydlos Staatsbesuch in Budapest im Februar 2015. Doch getroffen haben sich die beiden Regierungschefs seither immer wieder. Denn die Regierungen Polens und Ungarns sprechen ihre Europapolitik inzwischen miteinander ab.
Beim Treffen am Freitag geht es um den "Druck der Europäischen Kommission auf unsere beiden Länder", heißt es in Szydlos Amt knapp. Szydlo und Orban treffen sich noch vor der bevorstehenden Wahl in Deutschland, denn in beiden Ländern geht man davon aus, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Beide Regierungschefs werden zudem nicht müde, Berlin zu kritisieren - für sein angebliches Hegemoniestreben in der EU und seine Rolle der Flüchtlingskrise.
Für eine andere EU-Flüchtlingspolitik
Der wichtigste Punkt in der Auseinandersetzung mit Brüssel ist für beide die gerechte Umverteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Mitgliedsländer. Anfang September hatten Ungarn und die Slowakei eine später auch von Polen unterstützte Klage gegen die EU-Umverteilungsquoten beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) verloren. Der EU-Innen- und Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos hatte Budapest und Warschau, die beide bisher noch gar keine Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland und Italien aufgenommen haben, mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht, falls sie ihre Haltung in den nächsten Wochen nicht ändern. In beiden Ländern heißt es, man wolle lieber eine finanzielle Strafe in Kauf nehmen, als das EuGH-Urteil umzusetzen.
Orban hat inzwischen angekündigt, in Brüssel für eine Änderung der Flüchtlingspolitik zu kämpfen. Auch darin wird er von Polen unterstützt. Beide Länder betonen immer wieder, man müsse die EU-Außengrenzen besser schützen und vor allem vor Ort helfen. Warschau hat in den letzten Tagen tatsächlich einen Beitrag von immerhin 50 Millionen Euro noch in diesem Jahr für einen Sonderfonds der Europäischen Investitionsbank (EBI) versprochen, der die humanitäre Krise vor allem in Syrien lindern soll. Ungarn dagegen fordert von der EU Geld für den Bau seines Grenzzauns zurück.
Neben der Flüchtlingsfrage haben Ungarn und Polen eine Reihe weiterer gemeinsamer Streitpunkte mit der EU. So hatte Orbans Regierungspartei Fidesz - ähnlich wie später auch die PiS in Polen - sofort nach dem Wahlsieg damit begonnen, die Arbeit des Verfassungsgerichtes, die Gewaltenteilung, die Pressefreiheit und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einzuschränken. Brüssel reagierte darauf mit Klagen und der Einleitung eines Dialogmechanismus, wie es auch das erstmals gegen Polen eingeleitete Rechtsstaatsverfahren vorsieht. Ähnlich wie Polen argumentiert auch Orban immer wieder mit dem Volkswillen und dem Kampf um die Souveränität dagegen. Der Ungar treibt dieses Spiel erfolgreich seit über sieben Jahren, Polen ist nach knapp zwei Jahren auch kein Neuling mehr darin.
Gegenseitige Veto-Versprechen
Gegen die beiden widerspenstigen EU-Mitglieder haben sich die Möglichkeiten Brüssels bisher als weitgehend zahnlos erwiesen. Für den Fall, dass Artikel 7 des EU-Vertrages angewandt würde, auf dessen Grundlage einzelnen EU-Staaten die Mitgliedsrechte aberkannt werden können, haben sowohl Ungarn als auch Polen sich bereits gegenseitig das Veto versprochen. Eine derart schwerwiegende Entscheidung erfordert die Einstimmigkeit aller 28 EU-Mitglieder. Unklar ist auch, was geschieht, wenn ein Land die finanziellen Strafen am Ende eines Vertragsverletzungsverfahrens nicht bezahlt.
Auch diese Option könnten sich Orban und Szydlo am Freitag vorbehalten, auch wenn sie dies kaum nach außen kommunizieren werden. Die große Frage in Warschau ist, ob Orban sich mit Polens schwarzer Eminenz, dem PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski, treffen wird. Kaczynski hat kein Regierungsamt inne, diktiert aber sehr wohl Szydlos Politik. Den Anfang enger Absprachen zwischen Budapest und Warschau machte übrigens ein Geheimtreffen der beiden Parteichefs Anfang Januar 2016 im polnischen Dorf Niedzica an der slowakischen Grenze.