Operngala digital zugunsten der AIDS-Stiftung
9. Mai 2020Eine schlimme virale Krankheit verbreitet sich weltweit und zerstört Leben. Nur: Anders als COVID-19 wütet Aids seit knapp vier Jahrzehnten. Wann oder ob ein Impfstoff gefunden wird, ist immer noch unklar. Seit 2006 ist zwar ein deutlicher Abwärtstrend an Aids-Toten zu beobachten, allein im Jahr 2018 waren es jedoch immerhin noch 770.000 weltweit. Täglich infizieren sich mehr als 4.600 Menschen neu mit dem HI-Virus.
Die Corona-Pandemie überschattet derzeit jeden Bereich des Lebens - auch die Aids-Bekämpfung, sagt Kristel Degener, Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung. Diese finanziert sich durch Spenden und Sponsoren, Kunstauktionen und besonders durch Opern-Galas in Düsseldorf, Berlin und Bonn. Doch bereits zwei der Galas 2020 mussten abgesagt werden.
In die virtuelle Welt verlagert
Auch die 9. Operngala Bonn für die Deutsche AIDS-Stiftung, die für den 9. Mai angesetzt war, findet nicht auf der Bühne statt. Aber zumindest wurde sie nicht abgesagt, sondern verlagert sich in Zusammenarbeit mit dem Medienpartner Deutsche Welle ins Internet.
Eine Gesprächsrunde mit den Initiatoren Helmut Andreas und Arndt Hartwig, ein Austausch mit dem Generalmusikdirektor der Stadt Bonn, Dirk Kaftan, übermittelte musikalische Grüße von Solisten, die aufgetreten wären und sogar eine musikalische Strecke von Beethovens "Pastorale"-Sinfonie, in verschiedenen Wohnzimmern synchron musiziert: Das ist nur das Begleitprogramm zur Hauptattraktion, der Übertragung der Operngala 2016 als Videoaufzeichnung.
"Wie Sportler müssen Musiker auch trainieren, damit ihre Stimmen fit bleiben. Sie haben aber im Grunde momentan Berufsverbot, weil sie nicht auftreten können. Deshalb waren wir so froh, dass sie uns Videos geschickt haben", sagt Arndt Hartwig zum Programm.
Sein Ehemann Helmut Andreas Hartwig erklärt der DW, warum es wichtig war, zu versuchen, den Schwung, den die Gala im Laufe der Zeit entwickelt hat, beizubehalten: "Wir haben vor neun Jahren angefangen und hatten einen Reinerlös von 60.000 Euro. Für ein relativ kleines Haus war das schon viel. Letztes Jahr hatten wir 240.000 Euro, was schon unglaublich ist. Im Laufe der Jahre sind deutlich mehr als eine Million Euro zusammengekommen. Dies kommt der Deutschen Aids-Stiftung zugute. Sie leistet viel, ist aber in erster Linie Botschafter im Sinne der Aufklärung und der Prävention." Man dürfe auch mit diesem Virus nicht nachlässig umgehen, stimmt Kristel Degener zu. "Selbst in der Corona-Krise müssen wir darauf hinwirken, dass das HI-Virus beendet wird."
Licht und Schatten in Corona-Zeiten
Im Sinne der Aids-Bekämpfung hat die Corona-Pandemie sogar eine positive Seite, sagt Degener: "Diese gängigen Regeln, die wir täglich hören - Abstand halten, desinfizieren und so weiter: Das erinnert uns daran, auch bei HIV vorsichtig zu sein." Die Kehrseite: Noch weiß man zu wenig darüber, wie bereits immungeschwächte Menschen auf das Coronavirus reagieren. Rein finanziell wirke sich die aktuelle Krise jedenfalls negativ auf die Spendenbereitschaft aus: "Die Menschen sind mit sich selber, ihren Familien und dem Coronavirus beschäftigt - und das ist auch völlig nachvollziehbar."
Neben Aufklärungsarbeit und projektbezogene Hilfsaktionen für HIV-Positive und Aids-Kranken in Europa bekämpft die Deutsche AIDS-Stiftung die Immunseuche in Afrika, wo die Positivrate in einigen Regionen sogar ein Fünftel der Bevölkerung beträgt. Speziell hilft die Stiftung bei Projekten, die die Übertragung des HI-Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind verhindern.
Die ungewisse Situation in Afrika
Es war denn auch durch die Zusammenarbeit mit ihren afrikanischen Partnern, dass Kristel Degener einen verstörenden Einblick in die Situation in Afrika zu Corona-Zeiten erhielt. "Hierzulande gehen wir in die Supermärkte und füllen unsere Kühlschränke mit Vorräten." Es gebe aber beispielsweise auch in den Townships in Südafrika einen Lockdown - nur habe man dort vielleicht gar keinen Kühlschrank oder die Mittel, Vorräte zu bunkern. "Vor ein paar Wochen habe ich von unseren Projektpartnern gehört, dass Essenstransporte überfallen werden, weil die Leute einfach Hunger haben. Das dürfte anderswo auch der Fall sein. Es ist also sehr wichtig, dass wir da weiterhelfen." Was können Opernarien dagegen ausrichten? Bewusstsein schärfen, zum Spenden aufrufen - und Herzen und Portemonnaies öffnen.Lieblingsmelodien und Seltenheiten
Wie in jedem Jahrgang bot auch die 2016er Operngala in Bonn ein Feuerwerk an Stimmen und Stimmungen - und gleichzeitig einen Querschnitt der aktuell angesagtesten Sängerinnen und Sänger der Szene. Um einen ähnlichen Überblick der Shooting Stars zu erhalten, müsste man monatelang quer durch Europa reisen. So überrascht es nicht, dass diese Events auch rein musikalisch begehrt sind. "Sogar 60 Australier hatten zugesagt, 2020 zu kommen", verriet Arndt Hartwig. Er hofft, sie durch die Verschiebung der Gala auf 2021 nicht zu enttäuschen.
Kurzweilig moderiert von Bettina Böttinger, bekannt als Moderatorin beim öffentlich-rechtlichen Sender WDR (Westdeutscher Rundfunk), war die Operngala 2016 ein bunt gemischtes Programm. Neben Ohrwürmern aus "Die Fledermaus" von Strauss, "Don Carlos" von Verdi, "Romeo und Julia" von Gounod oder "Fidelio" von Beethoven lässt die Aufzeichnung auch seltenere Werke noch mal zu Gehör kommen: Arien von Komponisten wie Umberto Giordano, Robert Stolz, Ernesto de Curtis, Luigi Arditi, Federico Moreno Torroba, Franz Lehár oder Salvatore Cardillo.
Beteiligt sind die Solisten Andrea Carè, Roberto de Biasio, Ingeborg Gillebo, Robin Johannsen, Simone Kermes, Davide Luciano, Julia Novikova, Marina Prudenskaya, Luca Salsi und Chiara Skerath. Bei allen spürt und hört man volles Engagement und äußersten Einsatz: Schließlich traten für den guten Zweck alle ohne Gage auf. Unter der Leitung des ehemaligen Chefdirigenten Stefan Blünier spielte das Beethoven Orchester Bonn.
Ganz bezaubernd dabei: der Stimmenmix von Ingeborg Gillebo und Robin Johannsen im Blumenduett aus "Lakme" von Léo Delibes. Unvergessen: die brillant komödiantische Einlage der Sopranistin Simone Kermes als Aufziehpuppe in "Hoffmanns Erzählungen" von Offenbach.
Spendenkonto der Deutschen AIDS-Stiftung – Stichwort "Operngala Bonn":
DE 85 3705 0198 0008 0040 04