Zukunftschancen der Warenhäuser
18. Mai 2009Der schwer angeschlagene Karstadt-Mutterkonzern beantragt Insolvenz, nachdem die Bundesregierung staatliche Hilfe abgelehnt hat. Zu Arcandor gehören die Karstadt-Warenhäuser, der Versandhändler Quelle und der Reiseanbieter Thomas Cook. Ohne Staatsgarantien hatte der Konzern kaum noch Chancen, neue Bankkredite zu erhalten oder bestehende zu verlängern.
Rettungsplan für Arcandor
Trotzdem gibt es ein Szenario für eine Rettung für Karstadt und die rund 30.000 Beschäftigten. Die zur Metro-Gruppe gehörende Warenhauskette Galeria Kaufhof will einen Großteil der 121 Waren- und Kaufhäuser von Karstadt übernehmen. Aber auch das nur, wenn der Staat bereit ist, seine schützende Hand über den Deal zu halten.
Arcandor muss seit Jahren einen rigiden Sparkurs fahren. Konkurrent Woolworth ist bereits in der Insolvenz. Die in Schieflage geratene Warenhauskette Hertie konnte ebenfalls nicht gerettet werden und wird dichtgemacht. Die Gläubigerversammlung beschloss die Schließung der 54 Filialen und der Konzernzentrale. Zuvor war eine interessierte Investorengruppe abgesprungen, weil keine Einigung mit dem Gesellschafter über die Mietverträge für die Kaufhäuser zu erzielen war. Sind die Zeiten der großen Kaufhäuser vorbei? Auf jeden Fall hat ihre Bedeutung deutlich abgenommen. Noch in den siebziger Jahren trugen sie 14 Prozent zum Umsatz des deutschen Einzelhandels bei, heute sind es nur noch 3,3 Prozent. Im Internethandel wird inzwischen mehr Geld verdient.
So verkündete der Warenhauskonzern und Karstadt-Eigner Arcandor im April ein weiteres Sparprogramm: Einige schlecht laufende Warenhäuser sowie die Häuser der sogenannten Premium-Gruppe, dazu gehören das KaDeWe Berlin, Oberpollinger München und das Alsterhaus Hamburg, sollen ausgegliedert werden. Für die drei Warenhäuser habe man bereits "viele Interessenten", heißt es aus dem Unternehmen.
Eine Perle wird abgestoßen
Das Kaufhaus des Westens, nicht nur Berlinern besser als KaDeWe bekannt, steht zum Verkauf. Der klamme Handelskonzern Arcandor will sich von Europas größtem Konsumtempel trennen, um Kasse zu machen. Dabei ist das KaDeWe wahrlich eine Perle: Genaue Zahlen werden zwar nicht veröffentlicht, aber das Nobelkaufhaus verdient offenbar nach wie vor gutes Geld. Und danach sieht es auch aus: Gleich am Eingang überbieten sich kleine separate Shops von Gucci, Louis Vuitton und Cartier. In den Schaufenstern liegen Uhren für 4000 und Damen-Handtaschen für fast 2000 Euro. Oben in der sechsten Etage trifft sich nicht nur die High-Society zu Champagner und Hummercocktail. "Das KaDeWe darf nicht verschwinden“, da sind sich die meisten Kunden einig. Zwischen 40.000 und 50.000 Besucher zählt das "Kaufhaus des Westens" tagtäglich. In der Vorweihnachtszeit schlendern mitunter sogar bis zu 180.000 Menschen durch den Berliner Konsumtempel.
"Eine Perle" sei das Traditionshaus KaDeWe, meint der neue Chef des Warenhaus-Konzerns Arcandor, Karl-Gerhard Eick. Trotzdem soll es wie andere Häuser auch aus dem Kerngeschäft ausgliedert werden und unter Umständen auch den Besitzer wechseln.
Falsches Kalkül und Trends verschlafen
Arcandor hat sich vorgenommen, künftig noch stärker auf die Mittelschicht zu zielen. Experten aber bezweifeln, dass dieses Kalkül aufgeht. Denn punkten können derzeit vor allem Einzelhändler, die entweder mit vielen Billigpreisen oder einem besonders attraktiven, speziellen Angebot aufwarten können. Klassische Kauf- und Warenhäuser wie Karstadt oder Hertie hätten "den Trend in diesem Bereich verschlafen", urteilt Konsumforscher Ingo Balderjahn von der Universität Potsdam. Er hält den Unternehmen "altmodische Konzepte" vor. Der Markt habe sich aber in zwei Richtungen entwickelt: in den Discount- und in den Luxusbereich.
Die Lebensmitteldiscounter Aldi oder Lidl zum Beispiel bieten seit Jahren ebenfalls Kleidung, Elektronik und Haushaltsgeräte an, jagen den Warenhäusern also damit Kundschaft ab. Auch Billig-Bekleidungsketten wie KIK, Takko oder Ernstings Family breiten sich in Deutschland immer mehr aus.
Warenhäuser als Kundenmagnet
Dabei muss die Zeit der großen Kaufhäuser nicht vorbei sein, denn sie haben nach wie vor eine hohe Bedeutung für die Innenstädte. Beispiel Potsdam. Dort bot die Fußgängerzone in der Innenstadt, in der Brandenburger Straße, in den 90er Jahren ein erbärmliches Bild: graue Fassaden, Bretterverschläge an Schaufenstern, Leerstand.
Heute pulsiert hier das Leben. Laut einer Studie hat sich die Zahl der Passanten in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Ein Grund: die Eröffnung des Karstadt-Warenhauses im März 2005. "Das Kaufhaus hat sich in jedem Fall positiv ausgewirkt für die gesamte Straße", sagt Juwelierin Eva Gerber von der Arbeitsgemeinschaft Innenstadt.
Luxus oder billig
Die Warenhäuser selbst stehen vor einer großen Herausforderung. Die Metro-Tochter Kaufhof hat darauf bereits reagiert. Sie gestaltet unter dem Namen "Galeria" viele Warenhäuser um. Am Berliner Alexanderplatz zum Beispiel öffnet heute ein Portier die Türen. Besucher werden am Eingang umgarnt mit Düften aus der Parfümerieabteilung. Helles Licht und offene Gänge dominieren. Wühltische sind verschwunden. "Das will der Kunde nicht mehr haben in einer Innenstadt", ist Geschäftsführer Detlef Steffens überzeugt. Auch das Sortiment hat er verändert. Möbel, Teppiche, Lampen werden bei Galeria Kaufhof nicht mehr verkauft. Stattdessen gibt es mehr Kleidung, aufgeteilt nach Marken.
Der große Konkurrent, das Berliner KaDeWe, ist noch ein Stück weiter gegangen. Dort bieten einige Hersteller ihre Produkte auf eigene Rechnung an. "Shop-in-Shop" heißt das Konzept, das Experten als Hoffnungsschimmer sehen.
Generell glaubt Konsumforscher Ingo Balderjahn, dass sich die bekannten Premiumkaufhäuser wie das Kaufhaus des Westens in einer sehr geringen Anzahl weiter behaupten können. "Die große Masse der Kaufhäuser wird sich aber auf einem unteren Discountbereich bewegen müssen, um überleben zu können", so der Konsumforscher.
Autor: Karsten Zummack
Redaktion: Henrik Böhme