Jüdische Gemeinde
9. November 2006Seit ihrem Amtsantritt 1985 als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) verfolgt Charlotte Knobloch die Idee: Sie wollte die ehemalige Hauptsynagoge in München wieder entstehen lassen. Das prächtige Bauwerk ist neben den Türmen der Frauenkirche auf zwei Ölgemälden in Knoblochs Büro zu sehen.
Im Juni 1938 ordnete Adolf Hitler persönlich den Abriss des ersten jüdischen Bethauses in Deutschland an. Erst fünf Monate später wurde in der so genannten "Reichspogromnacht" die orthodoxe Synagoge in München niedergebrannt. Das neue Gotteshaus trägt ihren Namen: "Ohel Jakob".
Ein sichtbarer Teil der Stadt
Auf dem ursprünglichen Platz konnte man den alten Tempel aber nicht wieder errichten, weil darunter mittlerweile eine Tiefgarage lag. Durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion wuchs die Kultusgemeinde dermaßen, dass sie auch ein neues Gemeindezentrum brauchte. Der Umzug an den St. Jakobsplatz im Herzen Münchens war das Ergebnis einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen Gemeindepräsidentin Knobloch und dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude.
Der Historiker Michael Brenner von der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist Mitherausgeber des Buches "Jüdisches München - vom Mittelalter bis zur Gegenwart". Er beobachtet einen Wandel in der nach Berlin zweitgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland, die 9300 Mitglieder zählt. Die Gemeinde sei nicht mehr ein Ghetto mit unsichtbaren Mauern und München kein Provisorium mehr, sagt Michael Brenner. "Hier ergibt sich die Chance, ein Teil der Stadt zu werden, wie es bisher nicht der Fall war, ein sichtbarer Teil der Stadt".
In München angekommen
Das imposante jüdische Gotteshaus, das an den Tempel in Jerusalem erinnert, ist tatsächlich nicht zu übersehen. Steht man tagsüber darin, sieht man den Himmel über dem Thora-Schrein. Nachts wiederum leuchtet die Synagoge von außen betrachtet geheimnisvoll. Das fünfstöckige Gemeinde- und Kulturhaus nebenan beherbergt Büros, eine Schule und einen Kindergarten.
Der große Versammlungssaal und das koschere Restaurant im Haus sind wie das benachbarte Jüdische Museum für alle Besucher offen. Ein unterirdischer Verbindungsgang trägt die Namen aller 4500 Münchner Juden, die von den Nazis ermordet wurden. Darunter waren auch Verwandte von Charlotte Knobloch, die dennoch mit dem neuen Jüdischen Zentrum zum ersten Mal in ihrer Heimat angekommen ist: "Nachdem wir endlich alles unter Dach und Fach hatten, da habe ich gewusst, dass wir hier in München angekommen sind, dass die Akzeptanz vorhanden ist, uns im Herzen der Stadt niederzulassen. Und da habe ich gewusst, dass wir jetzt an die Zukunft denken müssen. Und die Zukunft kann nicht mehr mit gepackten Koffern sein".