"Zuwanderung als Bereicherung und Gewinn"
16. März 2006Der jüngste Ansturm von afrikanischen Flüchtlingen auf die Kanarischen Inseln und der Tod zahlreicher Afrikaner auf dem Meer macht auch den deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble betroffen. "Wir sind in einer höchst aktuellen Zuspitzung, und das alles ist Ausdruck höchster Verzweiflung der Menschen, aber eben auch eine riesige Herausforderung für die Politik", sagte Schäuble bei der Vorstellung der deutschen Ausgabe des Weltmigrationsberichts in Berlin.
Schlüssige Entwicklungspolitik
Er verwies auf die Notwendigkeit, die Ursachen von Migration in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Die CDU-Politikerin Rita Süssmuth verlangte von den Industrieländern eine in sich schlüssige Entwicklungspolitik. Das betreffe auch Europa, das einerseits Entwicklungshilfe leiste und andererseits mit der Subventionierung seiner Agrarprodukte der Dritten Welt schade. "Wir geben jedes Jahr 300 Milliarden Agrarsubventionen aus. Das macht die armen Länder nicht entwicklungsfähiger. Sie setzen ihre Produkte damit weniger auf dem Weltmarkt um", kritisierte Süssmuth. Man brauche stattdessen eine kohärente, auf den verschiedenen Politikfeldern aufeinander abgestimmte Politik, forderte die CDU-Politikerin.
Austausch von Wissen
Süssmuth hatte am Bericht einer internationalen Migrationskommission mitgearbeitet, der im Herbst 2005 dem UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgelegt worden war. Als interessante Erkenntnis hoben Süssmuth und Schäuble hervor, dass Zuwanderung in Industriestaaten auch das Wachstum in den Herkunftsländern der Migranten stimuliere. Migration sei keine Einbahnstrasse. Es komme ein Austausch von Wissen zwischen Auswanderungsland und Einwanderungsland zustande. Die Migranten seien bei ihrer Rückkehr wichtige Fachkräfte. Außerdem überwiesen Migranten 2004 rund 150 Milliarden Dollar in ihre Heimatländer, fast das Dreifache der Entwicklungshilfe weltweit.
Vorteile verständlich machen
Bundesinnenminister Schäuble lobte den Bericht der 20 Experten. Er sei auch wichtig für die deutschen Konzepte zur Steuerung der Zuwanderung. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir die Akzeptanz in unserer Gesellschaft nur erhalten und fördern können, wenn Zuwanderung nicht als Problem oder Bedrohung wahrgenommen wird, sondern als Bereicherung und Gewinn", sagte der Innenminister. Deshalb müsse das Ziel sein, den Vorteil und den Nutzen von Zuwanderung und Integration für jeden Einzelnen, egal ob einheimisch oder zugewandert, verständlich und für die gesamte Gesellschaft sichtbar zu machen.
Warnung vor Parallelgesellschaften
Schäuble warnte zugleich vor unbegrenzter und ungesteuerter Migration über die Grenzen der Europäischen Union und Deutschlands. Als für Migration und Integration verantwortlicher Minister müsse er darauf achten, dass der heimische Arbeitsmarkt nicht durch Billigarbeiter aus den Fugen gerate. Die positive Zuwanderung Hochqualifizierter dürfe nicht durch den Zuzug von Geringqualifizierten in die Sozialsysteme überlagert werden. Die Zugewanderten dürften nicht in Parallelgesellschaften abgleiten, sondern müssten sich integrieren.