Zuwanderung - Bedrohung oder Chance für Europa?
17. April 2006Migration werde damit allein als sicherheitspolitisches Problem behandelt, sagt Thomas Faist, Migrationsexperte an der Universität Bielefeld. "Hier müssen wir umdenken. Migration ist ein sozialpolitisches Problem; und es ist ein wirtschaftspolitisches Problem." Er kritisiert die EU-Politiker, die strenge Migrationskontrollen an den EU-Grenzen mit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York begründen: "Denn die Terroristen des 11. September, das waren gut integrierte, mobile Menschen, keine typischen Migranten. Insofern müssen wir weg von der Abschottungspolitik hin zu einer selektiven Öffnung."
Nur die Besten?
Doch wie könnte eine solche selektive Öffnung aussehen? Die meisten EU-Staatschefs vertreten die Meinung von Frankreichs Innenminister Nicolas Sarkozy, der sagt: "Wir wollen keine hilfsbedürftigen Einwanderer, sondern nur die, die besonders geeignet sind, auf bedeutende und dauerhafte Weise zur Entwicklung Frankreichs in der Welt beizutragen".
Menschenrechts-Aktivisten und Entwicklungspolitiker halten jedoch nichts von einer solchen Politik. Günter Bonnet vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit: "Wir müssen aus Sicht eines Entwicklungspolitikers verhindern, dass es ein 'brain drain' gibt, der dazu führt, dass die Elite aus den Entwicklungsländern hier eine Heimat und eine Zukunft findet. Damit würden diese Länder ausbluten."
Menschen und Märkte
Zudem kann eine kleine handverlesene Gruppe von hoch qualifizierten Zuwanderern nicht eines der größten Probleme der EU-Staaten lösen – nämlich, dass die Bevölkerung Europas zunehmend ergraut. Bis zum Jahr 2015 wird ein Drittel der der Menschen in Europa älter als 50 Jahre sein. Die Europäer sind also auf Zuwanderung angewiesen. Migrationsexperten warnen bereits vor einem künftigen Konkurrenzkampf um Zuwanderer.
Trotzdem haben viele Menschen in Europa Angst, dass die Migranten ihnen die Arbeit wegnehmen. Diese Befürchtungen seien verständlich und müssten ernst genommen werden, sagt Ulla Mikota vom Verband für Entwicklungspolitik deutscher Nicht-Regierungsorganisationen. Man solle das Thema jedoch realistisch betrachten: "Man sieht doch, dass es den Arbeitsbedarf gibt, sonst hätten ja auch die Illegalen nicht so eine Chance, hier zu arbeiten. Wenn Sie mal in Frankfurt durch die etwas besseren Viertel gehen, da sehen sie sehr viele asiatische Frauen mit deutschen Kindern. Es gibt sehr viele illegale Haushaltshilfen."
Von den EU-Politikern fordert Ulla Mikota daher mehr Möglichkeiten für Menschen aus anderen Kontinenten, legal in die europäischen Staaten zu immigrieren. "Wir sprechen in Zeiten der Globalisierung von einer Liberalisierung von Märkten und da ist es ganz normal, dass Menschen wandern. Auch aus Entwicklungsländern." Die Europäer müssten lernen, Zuwanderer nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu sehen.