Zuwanderungspolitik: Besser als ihr Ruf – aber meist zu spät
29. Juni 2012Man rechnete mit einem Massenansturm: Von 300 000 möglichen Anträgen war die Rede, als am 1. April 2012 das sogenannte Anerkennungsgesetz in Kraft trat. Durch das neue Gesetz kann jeder seine ausländische Ausbildung in Deutschland prüfen zu lassen. Doch der erwartete Massenansturm blieb aus, wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer Köln gegenüber der DW bestätigte.
"Dieses Gesetz ist enorm wichtig, aber es kommt ungefähr zwei Jahrzehnte zu spät", sagt Klaus Bade. Viele, denen das Gesetz bereits vor Jahren genutzt hätte, arbeiten mittlerweile überqualifiziert in anderen Bereichen. Seit der Gründung im Jahr 2008 ist Klaus Bade Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Schon bevor er am 1. Juli turnusgemäß von seinem Vorsitz zurücktritt, hat er im Interview mit der DW die bisherige deutsche Integrationspolitik bilanziert. "Wir werden in Sachen Migrations- und Integrationspolitik immer besser", so Bade, "aber wir kommen meistens sehr spät, und sehr oft auch zu spät."
Schon seit Bismarcks Zeiten zu spät
Ähnlich sei es beim Zuwanderungsgesetz gewesen, das seit 2005 wesentliche Teile des Ausländerrechts neu regelt: "Das alles hätten wir 25 Jahre früher gebraucht. Anfang der 80er Jahre wurde das auch gefordert, nicht zuletzt von mir", sagt Bade. Bis zu Zeiten von Reichskanzler Bismarck im 19. Jahrhundert ließe sich diese Tendenz zurückverfolgen: "Als Historiker erinnert mich das an die Geschichte des Auswanderungsgesetzes im 19. Jahrhundert: 1897 kam das Gesetz, als die Massenauswanderung in die USA schon vorbei war."
Heute sei es an der Zeit, um Zuwanderung zu werben, sowohl innerhalb von Deutschland als auch im Ausland: "Es hat ein Wettkampf um die besten Köpfe begonnen, und dabei wird man gut daran tun, sich darum zu bemühen, qualifizierte Leute ins Land zu bekommen und dann auch ihre Qualifikation so schnell wie möglich anzuerkennen."
"Wir tun Gutes, aber wir reden zu wenig darüber."
Grundsätzlich sei Integration in Deutschland aber eine Erfolgsgeschichte, fasst Bade zusammen: "Wir tun Gutes, aber wir reden zu wenig darüber. Deshalb ist auch dieser unsinnige Gedanke gekommen, Integration hinge irgendwie schief in diesem Land." Diese Einschätzung würde ihm in Gesprächen mit internationalen Experten bestätigt: "Alle im europäischen Ausland klopfen sich an die Schläfe und sagen: Was haben die Deutschen eigentlich mit ihrem Gejammer auf hohem Niveau? Wenn es bei uns so gut funktionieren würde, dann wären wir sehr zufrieden."
Auch das neue Anerkennungsgesetz könnte langfristig ein Erfolg werden, da ist sich Bade sicher. Dass der erwartete Ansturm bisher ausgeblieben ist, habe praktische Gründe – viele Betroffene wüßten schlichtweg noch nichts davon. Wenn sich das Gesetz herumspricht, könnte es weltweit als Modell dienen, so Bade. Denn obwohl es spät kommt, sei es in seiner Form einzigartig. Umso wichtiger sei, das Gesetz bekannt zu machen und damit zu werben, sagt Bade und warnt: "Auch hier könnten die Deutschen ihre eigenen Integration wieder unter Preis verkaufen."