73. Golden Globe-Verleihung
11. Januar 2016Der wunderschön fotografierte, elegisch inszenierte Film "Carol" war im Vorfeld der Golden Globes als Favorit gehandelt worden. "Carol" hatte die meisten Nominierungen erhalten. Doch am Ende ging das Drama um die Beziehung zwischen zwei Frauen im sittenstrengen Amerika der 1950 Jahre leer aus.
Stattdessen setzte sich in der Sparte Drama "The Revenant" des Mexikaners Alejandro González Iñárritu (unser Bild oben) durch. Und da das drastisch in Szene gesetzte Überlebensdrama eines Trappers in den eisigen Schneewüsten Nordamerikas auch die Globes für die beste Regie und den besten Darsteller (Leonardo DiCaprio) einheimste, durfte sich Iñárritu als Sieger des Abends fühlen.
Fragwürdige Kategorisierungen bei den Golden Globes
Die Golden Globes unterscheiden - im Gegensatz zu den Oscars - in der Sparte Kino zwischen Drama und Komödie/Musical. Das ist einerseits weise. Wie kann man ernsthafterweise Äpfel mit Birnen vergleichen, dramatische Filme mit ernster Thematik und lustige Stoffe mit komödiantischen und musikalischen Einlagen?
Andererseits wird die Unterscheidung wieder fragwürdig, wenn Entscheidungen fallen wie in diesem Jahr. In der Kategorie "Komödie/Musical" setzte sich nämlich 2016 "The Martian" durch. Dort zeigt Regisseur Ridley Scott, wie es Matt Damon auf dem Mars ergeht, als dieser nach einem gewaltigen Sturm allein auf dem fernen Planeten zurückbleiben muss - und dort auch ums nackte Überleben kämpft.
Soll das eine Komödie sein? Gesungen wird wirklich nicht in dem Zwei-Stunden-Überlebenskampf auf dem Mars: Die Auszeichnung für das beste Musical kann also definitiv nicht gemeint gewesen sein. Aber auch die Bezeichnung Komödie führt in die Irre. Zwar haben Regie und Drehbuch einige humoristische Elemente in die Handlung eingewebt, die Matt Damon als zumeist gutgelaunten Wissenschaftsastronauten auf dem Mars zeigen, doch insgesamt ist der Film ein lupenreines Science-Fiction-Drama mit klassischen Genreelementen.
Rund 100 Journalisten entscheiden über die Globes
Hollywood hat also seine eigenen Gesetze und Sichtweisen. Wobei immer wieder daran erinnert werden muss, dass die Golden Globes ja von der "Hollywood Foreign Press Association" (HFPA) verliehen werden. In der sind nur rund 100 Film- und Fernsehjournalisten, die in Hollywood arbeiten, versammelt. Es ist also eine relativ kleine Gruppe von - aus US-amerikanischer Sicht - Ausländern, die diesen Preis vergibt. Bei den Oscars geben immerhin 5500 Akademiemitglieder ihre Stimme ab.
Gerade in den letzten Jahren hat sich der Globe als Vorbote für die Oscarverleihung etabliert. Wer bei den Globes gewinnt, der hat auch gute Chancen beim Oscar - so ein ungeschriebenes, aber vielfach bewiesenes Gesetz. Insofern schielt die ganze Branche Mitte Januar gespannt nach Beverly Hills, wo die Trophäen während einer aufwendigen Zeremonie verliehen werden. So auch in diesem Jahr: Nachdem der Favorit "Carol" sich von "The Revenant" geschlagen geben musste und auch "The Martian" in der Musical/Komödien-Sparte zuvor nicht als Favorit gegolten hatte, war man gespannt auf die anderen Auszeichnungen.
DiCaprio und Matt Damon waren als beste Hauptdarsteller keine Überraschung mehr. Auch die Auszeichnung für Hollywoods neuen Liebling Jennifer Lawrence (Musical/Komödie für "Joy") konnte niemanden von den Sitzen reißen. Wohl aber der Preis für Brie Larson in der Kategorie "Beste Schauspielerin/Drama". Die hatten die wenigsten auf der Rechnung. Schließlich hatten die vier nominierten Konkurrentinnen einen klangvolleren Namen. Für die eine oder andere Überraschung sind Golden-Globe-Abende aber immer gut und so hat der 73. Globe mit Brie Larson (die für ihre Rolle in dem Entführungsdrama "Room" ausgezeichnet wurde), vielleicht einen neuen Star am Kino-Himmel hervorgezaubert.
Ein Globe für die Komponisten-Legende Ennio Morricone
Des Weiteren sind zu notieren: Golden Globes für die Nebendarstellerinnen Kate Winslet und Sylvester Stallone. Ein verdienter Drehbuch-Preis für Aaron Sorkin, der den Apple-Gründer Steve Jobs im gleichnamigen Film mit brillanten Dialogen vom Sockel gestoßen hat. Ein Golden Globe für die beste Filmmusik im Quentin-Tarantino-Western "The Hateful Eight": Hier darf sich Italo-Western-Legende Ennio Morricone freuen. Und eine Trophäe in der Sparte bester Song für den James-Bond-Titelsong "Writing´s On The Wall" in "Spectre" (Sam Smith/Jimmy Napes).
Für Gesprächsstoff dürfte die Auszeichnung in der Kategorie "Bester ausländischer Film" sorgen. Hier entschieden sich die Hollywood-Journalisten für das Auschwitz-Drama "Saul Fia" des ungarischen Regisseurs László Nemes. Der sehr detailliert und dementsprechend mit grausamen Szenen inszenierte Film war bei seiner Uraufführung bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai umstritten.
Während der eine Teil der Kritiker das realistische Szenenbild lobte, gefiel anderen Pressevertretern gerade dieses nicht: Auschwitz sei nicht mit den Mitteln des Unterhaltungsmediums Kino zu vermitteln - so ein Vorwurf. Interessant aus deutscher Sicht: Gerade hierzulande ist noch nicht absehbar, wann der Film in die Kinos kommt. Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, wo das Werk des Ungarn bereits in den Lichtspielhäusern zu sehen ist, fand sich ausgerechnet in Deutschland bisher kein Verleih für "Saul Fia".
Das Medium Fernsehen im Focus
Der Vollständigkeit halber seien noch einige Auszeichnungen bei den TV-Kategorien zu erwähnen. Die Juroren blicken - im Unterschied zu den Oscars - auch auf das andere Medium. Als beste Dramen-Serie wurde "Mr. Robot" ausgezeichnet, bei den leichteren Formaten "Mozart in the Jungle". Beste TV-Miniserie/Fernsehfilm wurde "Wolf Hall".
Auch hier gab es bei den Schauspielerauszeichnungen bemerkenswerte Entscheidungen: Neben Lady Gaga konnten sich freuen: Jon Hamm als "Mad Men"-Hauptdarsteller, der mexikanische Star Gael García Bernal, Rachel Bloom sowie der charismatische Oscar Isaac. Maura Tierney errang für ihre Rolle einer verlassenen Ehefrau in der bewegenden TV-Serie "The Affair" eine verdiente Golden-Globe-Trophäe.
Zu guter Letzt: Auch die Golden Globes pflegen die Tradition der Ehrenpreis-Verleihung. In diesem Jahr traf es Denzel Washington. Der in den vergangenen Jahren vor allem als Action-Star erfolgreiche dunkelhäutige Mime bekam den Cecil B. DeMille Award fürs Lebenswerk.