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Zweifel und österlicher Glaubensmut

10. Mai 2014

Nach Ostern ist ein Apostel besonders auffällig: Thomas, der an der Auferstehung zweifelt. Der Zweifel ist immer mit dem Glauben verbunden. Christoph Ehricht beschreibt für die evangelische Kirche Stärken des Zweifels.

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Emil Nolde - Der Ungläubige Tomas AUSSCHNITT
Emil Nolde: Der ungläubige Thomas (Ausschnitt)Bild: CC BY 2.0

Zweifel ist der Schatten des Glaubens

Im Schaukasten einer Kirchengemeinde habe ich neulich ein überraschendes Plakat entdeckt. „Thomas-Messe. Ein Oster-Gottesdienst für Zweifler und andere gute Christen“ – so war zu lesen. Die Einladung hat mich angesprochen. Zweifel ist der Schatten des Glaubens. Und wie der Verlust des Schattens ein Hinweis auf den Verlust der Körperlichkeit wäre, so wäre ein Glaube ohne Zweifel irgendwie gestaltlos, hätte seine Verwurzelung in unserem Denken und Fühlen und überhaupt in der Realität verloren. Vom französischen Aufklärer René Descartes ist der berühmte Satz überliefert: „Ich denke, also bin ich.“ Vollständig zitiert heißt es bei ihm jedoch: „Ich zweifle, also denke ich, also bin ich.“ Ich könnte noch ergänzen: also glaube ich.

Bertolt Brecht hat ein schönes Gedicht geschrieben „Lob des Zweifels“. Als Schüler in der DDR habe ich das oft als Thema für freie Aufsätze gewählt, weil man einerseits ja nichts gegen Brecht haben durfte, weil andererseits dieses Gedicht den Allmachtsanspruch der Parteilehre in die Schranken wies. „Gelobt sei der Zweifel! Ich rate euch, begrüßt mir heiter und mit Achtung den, der euer Wort wie einen schlechten Pfennig prüft.“ So fängt Brecht sein Gedicht an. Zweifler und andere gute Christen dürfen sich unmittelbar angesprochen fühlen!

Die Wahrheit von heute ist der Irrtum von morgen

Ich empfinde gerade in diesen Wochen die Tugend des Zweifels als sehr aktuell. Wir müssen uns ein eigenes Urteil bilden, wenn wir die widersprüchlichen Meldungen und Bilder aus den Krisengebieten, aus Syrien oder der Ukraine sehen, die uns mit dem Anspruch auf Wahrheit präsentiert werden und die letztlich doch alle von mehr oder weniger verdeckten Interessen geleitet sind. Zweifel ist hier in der Regel sehr angebracht. Die Wahrheit von heute ist der Irrtum von morgen, sagt eine alte Volksweisheit. Das klingt ein wenig resignativ, bewahrt uns aber vor engstirniger Rechthaberei und Fanatismus.

Zweifeln ist nicht Verzweifeln

Brecht setzt sein Gedicht allerdings mit nachdenklichen Worten fort: „Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt, so lobt nicht das Zweifeln, das ein Verzweifeln ist! Was hilft zweifeln können dem, der sich nicht entschließen kann! Falsch mag handeln, der sich mit zu wenigen Gründen begnügt. Aber untätig bleibt in der Gefahr, der zu viele braucht.“

Ich vermute, diese Mahnung ist auch die unausgesprochene Begründung dafür, dass im Evangelium dem zweifelnden Thomas, der das Osterwunder nicht so recht glauben mag, gesagt wird: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Nicht nur, weil Hören im Vergleich zum Sehen das wichtigere Tätigkeitswort des Glaubens ist, sondern vor allem, weil Glauben immer ein Tätigwerden in der Gefahr ist, ein Beten und Tun des Gerechten. Der Zweifel hat sein Ziel erreicht, wenn er zu einer neuen Gewissheit führt. Bertolt Brecht schließt sein „Lob des Zweifels“ ganz in diesem Sinn: „Schönster aller Zweifel aber, wenn die verzagten Geschwächten ihren Kopf heben und an die Stärke ihrer Unterdrücker nicht mehr glauben“ Im österlichen Bild der Bibel gesprochen: Wenn uns klar wird, dass der Stein weggewälzt und das Grab leer ist, weil Jesus auferstand.

Zum Autor: Christoph Ehricht, Jahrgang 1950, studierte evangelische Theologie an der Universität Greifswald. Vier Jahre war er dann wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Kirchengeschichte in Greifswald. Nach einigen Jahren als Gemeindepfarrer in Gützkow war er später theologischer Dezernent im Konsistorium der pommerschen Kirche - in Greifswald. Dann verließ er diese Stadt für 3 Jahre und war von 1999 - 2002 Propst in St.Petersburg. Nach seiner Rückkehr nach Greifswald ist er dort wieder im Dienst der pommerschen Kirche, und zwar als Landespfarrer für Diakonie. Christoph Ehricht ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Enkel.