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PolitikGeorgien

Zwischen EU und Russland: Was ist los in Georgien?

4. Dezember 2024

Seit Tagen gehen Tausende Menschen in Georgien gegen die moskaufreundliche Regierung auf die Straße. Die Lage bleibt angespannt. Wie ist es soweit gekommen?

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Zwei Demonstranten mit Gasmasken, im Hintergrund weitere Protestierende
Demonstrierende in der Nacht zum Mittwoch in Georgiens Hauptstadt TiflisBild: Zurab Tsertsvadze/AP/dpa/picture alliance

Was passiert gerade in Georgien?

Seit dem 28. November kommt es in der Südkaukasusrepublik allabendlich zu massiven Protesten gegen die Entscheidung der georgischen Regierung, die EU-Beitrittsgespräche auszusetzen. Nicht immer bleibt es dabei friedlich: Regierungsgegner bewerfen Ordnungskräfte mit Gegenständen und Feuerwerkskörpern, die Sicherheitskräfte ihrerseits setzen Wasserwerfer und Tränengas ein.

Während der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse den Oppositionsgruppen vorwirft, bei den Protesten bewusst Gewalt einzusetzen und während er mit der Bestrafung politischer Gegner droht, spricht die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili von unverhältnismäßiger Gewalt seitens der Polizei.

Georgiens Ministerpräsident Irakli Kobachidse
Georgiens Regierungschef Irakli Kobachidse droht Protestierenden mit harten StrafenBild: Georgian Dream party/AP/dpa/picture alliance

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigte eine "unverhältnismäßige und wahllose Gewaltanwendung" der Sicherheitskräfte, die eine "schwere Verletzung der Versammlungsfreiheit" darstelle. Laut Innenministerium sind seit Beginn der jüngsten Protestwelle rund 300 Menschen festgenommen worden. Mehr als 140 wurden demnach verletzt.

Was ist der Grund für die Proteste?

Schon vor gut einem Monat kam es in der ehemaligen Sowjetrepublik zu einer Protestwelle. Auslöser waren die umstrittenen Parlamentswahlen vom 26. Oktober. Viele Menschen fordern seither eine Wiederholung der umstrittenen Wahl, bei der laut Wahlkommission erneut die prorussische Partei "Georgischer Traum" gesiegt haben soll - mit knapp 54 Prozent der Stimmen.

Doch die proeuropäische Präsidentin Surabischwili (die nur über begrenzte Befugnisse verfügt) und die Oppositionsparteien sprechen von Wahlbetrug, die Opposition boykottiert deshalb auch das neue Parlament. Auch die Wahlbeobachter der OSZE, des Europarats, des Europaparlaments und der NATO zweifeln das offizielle Ergebnis an.

Dass Ministerpräsident Kobachidse am Donnerstag vergangener Woche den Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028 ankündigte, ließ die Demonstrationen dann erneut aufleben. Georgien ist seit Dezember 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat. Doch im Juni 2024 fror die EU den Beitrittsprozess ein, da die moskaufreundliche Regierung mehrere fragwürdige Gesetze verabschiedet hatte, darunter ein Gesetz nach russischem Vorbild gegen "ausländische Einflussnahme" und ein weiteres, das aus EU-Sicht sexuelle Minderheiten diskriminiert.

Georgien: Angst in der LGBTQ+-Szene

Das Ziel des EU-Beitritts ist in Georgien in der Verfassung verankert und wird laut Umfragen von 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Das Ignorieren dieses Mehrheitswillens der georgischen Bevölkerung hat zu einer Krise geführt, die manche an die Ukraine während der Maidan-Proteste 2014 und an die Anti-Lukaschenko-Proteste in Belarus 2020 erinnert.

Und was nun?

Einen Antrag auf Annullierung des Ergebnisses der Parlamentswahl von Präsidentin Surabischwili hat Georgiens Verfassungsgericht am 3. Dezember zurückgewiesen. Das Gericht erklärte, es habe die Klagen nicht angenommen, die Entscheidung sei "endgültig".

NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat die Situation in Georgien als "zutiefst besorgniserregend" bezeichnet. Er sagte, die NATO-Verbündeten forderten die georgische Regierung auf, auf dem Weg hin zu einer stärkeren EU- und NATO-Integration zu bleiben.

An einer Wand hängen Bilder und eine georgische Fahne, zwei Männer zünden Kerzen an
Demonstrierende zünden vor dem georgischen Parlament Kerzen anBild: Irakli Gedenidze/REUTERS

Auch mehrere europäische Staaten kritisierten die georgische Regierung scharf. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben gezielte Sanktionen gegen den Milliardär und Gründer der Partei Georgischer Traum, Bidsina Iwanischwili, und führende Regierungsmitglieder verhängt.

Ob die Regierung in Tiflis angesichts der Proteste im Land und der Reaktionen aus dem Ausland ihren Kurs ändern könnte, ist fraglich. Immerhin: Am 3. Dezember erklärte Premier Kobachidse sich nun doch bereit, Gespräche mit zwei ehemaligen Ministern und einer Oppositionspartei über eine europäische Perspektive des Landes zu führen. 

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis