Schmutzige Öl-Deals in Nigeria?
5. März 2018"Etete kann das Geld riechen. Wenn der 70-Jährige bei 1,2 Milliarden die Nase rümpft, ist der Typ doch komplett unzurechnungsfähig." Es sind diese Zeilen aus einer vertraulichen E-Mail, die Shell vor gut einem Jahr in Erklärungsnot brachten. Jahrelang hatte der Konzern behauptet, beim Kauf eines der größten Ölfelder Nigerias nichts von einer Beteiligung des verurteilten nigerianischen Geldwäschers Dan Etete gewusst zu haben.
Doch Mitte April 2017 veröffentlichte die britische Umweltorganisation "Global Witness" vertrauliche E-Mails eines damaligen Shell-Mitarbeiters. Diese E-Mails, die bis in die Chefetage von Shell gingen, belegen eine direkte Verbindung zu dem vorbestraften Nigerianer. Daraufhin sah sich der Konzern zu der Klarstellung gezwungen: Man habe in der Tat mit Etete verhandeln müssen, "ob man wollte oder nicht".
Der Vorwurf: Etete verteilte Bestechungsgelder
An diesem Montag sollte in Mailand der Prozess beginnen. Nun wurde der Prozessauftakt auf den 14. Mai verschoben.
15 Angeklagte müssen sich vor Gericht verantworten: Mitarbeiter von Shell und dem italienischen Öl-Konzern Eni - darunter Eni-Chef Claude Descalzi und sein Vorgänger Paolo Scaroni - und der Nigerianer Dan Etete. Beide Ölfirmen stritten in separaten Statements jegliches Fehverhalten ab.
Der Fall geht zurück bis ins Jahr 2011. Damals zahlte Shell zusammen mit dem italienischen Ölkonzern Eni 1,3 Milliarden US-Dollar auf ein Konto der nigerianischen Regierung ein. Damit wollten sich die beiden Konzerne die Rechte an einem der größten Ölfelder Afrikas sichern. Ein Großteil dieser Zahlungen floss jedoch nicht in die nigerianische Staatskasse, sondern ging an die Firma Malabu. Das Unternehmen wird von Dan Etete kontrolliert, der in den 1990er Jahren unter Nigerias ehemaligem Diktator Sani Abacha Ölminister war und 2007 in Frankreich wegen illegaler Geldgeschäfte verurteilt wurde.
Laut Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft und Recherchen von "Global Witness" musste Etete wiederum einen erheblichen Teil des an seine Firma überwiesenen Betrags in Bestechungsgelder an hochranginge nigerianische Politiker investieren. In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder der Name des ehemaligen Präsidenten Goodluck Jonathan auf.
Eni bestreitet Kontakt zu Geldwäschern
Sowohl Shell als auch Eni lehnten Interviewanfragen der Deutschen Welle zum Fall ab, als die Vorwürfe bekannt wurden. Im Gegensatz zu Shell hielt Eni weiterhin an der Version fest, beim Kauf des Ölfelds lediglich mit offiziellen Regierungsstellen in Kontakt gewesen zu sein. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Deutschen Welle schrieb das Unternehmen: "Eine unabhängige, von Eni beauftragte Untersuchung fand keine glaubwürdigen Hinweise, dass Eni-Mitarbeiter im Zusammenhang mit den Zahlungsgeschäften in korrupte Geschäfte verwickelt oder auch nur in Kenntnis solcher Geschäfte durch Dritte waren."
Der "Global-Witness"-Mitarbeiter Barnaby Pace zweifelt an diesen Aussagen des Konzerns: "Shell und auch sein italienischer Partner Eni wussten ganz genau, dass sie das Geld für das Ölfeld an einen verurteilten Geldwäscher zahlten", sagte Pace im DW-Interview. Für den Aktivisten haben die Ölkonzerne mit dem Deal nicht nur Gesetze gebrochen, sondern auch die nigerianische Bevölkerung betrogen: "Fünf Millionen Menschen hungern in Nigeria. Gleichzeitig wurde den Menschen Geld weggenommen, das ihnen zusteht - mehr als Milliarde US-Dollar. Das ist das Anderthalbfache von dem, was laut UN zur Bekämpfung der aktuellen Krise nötig ist."
Umweltschützer setzen auf die italienische Justiz
Insgesamt sechs Länder waren an den Ermittlungen gegen Shell und Eni beteiligt. Mehr als 100 Millionen US-Dollar wurden in der Schweiz und in Großbritannien eingefroren.
Barnaby Pace von "Global Witness" setzte schon vor Beginn des Prozesses in Mailand besondere Hoffnung auf das Gerichtsverfahren. Die italienische Staatsanwaltschaft habe sich mit besonders gründlicher Arbeit hervorgetan, so Barnaby: "Sie haben eine Vielzahl an Beweisen sammeln können." Außerdem würden Verfahren dieser Art in Italien häufig bis zu Ende ausgefochten, statt sich auf außergerichtliche Vereinbarungen und Vergleiche zu verständigen. "Es ist einer der seltenen Fälle, in denen wir wirklich Geschäftsführer sehen werden, die sich im Gerichtssaal verantworten müssen", sagt der Aktivist.
Einige Monate vor dem Kauf des Ölfelds im Jahr 2011 hatte Shell bei einem anderen Korruptionsverdacht in Nigeria der Zahlung von 30 Millionen US-Dollar zugestimmt, um einer Verurteilung zu entgehen. Damals hatte sich der Konzern verpflichtet, seine internen Kontrollen gegen Bestechung zu verbessern. Das war nur wenige Monate, bevor die Shell-Geschäftsleitung die E-Mails über Dan Etete erreichten.