Ölkrise: In Angola werden Lebensmittel knapp
16. Februar 2016Das sind Bilder aus dem ehemaligen Wirtschaftswunderland Angola, an die man sich erst einmal gewöhnen muss: lange Warteschlangen vor Supermärkten - Menschen, die stundenlang ausharren, um ihre täglichen Einkäufe zu erledigen.
"Ich bin um sechs Uhr in der Früh gekommen und habe bis jetzt nichts kaufen können", erzählt eine Frau vor einem Supermarkt in der südangolanischen Stadt Benguela. "Die Lage ist momentan schwierig, sehr schwierig", macht sie keinen Hehl aus ihrer Frustration.
Lange Warteschlangen rufen bei vielen Angolanern schlimme Erinnerungen an die Zeit des Bürgerkriegs hervor, einem der blutigsten Afrikas. Seit seinem Ende im Jahr 2002 ist die Wirtschaft in einem atemberaubenden Tempo gewachsen: 13, 18 und in manchen Jahren sogar 23 Prozent pro Jahr. Warteschlangen waren seitdem kein Thema mehr.
Billiges Erdöl zerstört die Kaufkraft
Nach Statistiken der Vereinten Nationen exportierte Angola allein im Jahr 2013 Erdöl im Wert von etwa 68 Milliarden US-Dollar. Doch während die angolanische Elite in Saus und Braus lebte und für Milliarden Unternehmensbeteiligungen in Europa kaufte, vergaß sie, die Wirtschaft zu Hause zu diversifizieren. 2013 waren mehr als 98 Prozent der Exporte Angolas Erdöl und Erdölderivate.
Außer Öl und Diamanten wird heute in Angola nichts produziert, das auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig wäre. Dabei war Angola zu portugiesischen Kolonialzeiten als Kaffeeexporteur bekannt.
Ein Großteil der Lebensmittel muss eingeführt werden. Im vergangenen Jahr fiel der Ölpreis jedoch um zwei Drittel. Angola verdiente also erheblich weniger durch die Exporte und konnte folglich auch nicht mehr so viel importieren, weil sich die Regierung nicht weiter gegenüber dem Ausland verschulden wollte.
"Auf dem Markt sind die Waren knapp, das treibt die Preise schwindelerregend in die Höhe", schildert der angolanische Volkswirt António Panzo die seit einigen Monaten herrschende Inflation. "Die Waren sind knapp, weil weniger importiert wird. Das macht die Lagerhaltung für die Händler sehr schwer."
Zentralbank verknappt den Zugang zu Dollar
Für Panzo ist klar, was die aktuelle Krise ausgelöst hat: "Das liegt am erschwerten Zugang zu Devisen." Die angolanische Zentralbank verkauft deutlich weniger Fremdwährungen an die Geschäftsbanken des Landes, die wiederum ihren Kunden teilweise nur noch maximal 1.000 US-Dollar eintauschen. Auch Kreditkarten dürfen im Ausland nur noch begrenzt eingesetzt werden. Die Zentralbank will damit den Absturz der Landeswährung, eine Folge des Ölpreisverfalles, bremsen. Vor einem Jahr mussten 105 Kwanza für einen US-Dollar bezahlt werden, heute (16. Februar 2016) sind es schon 159 Kwanza. Zumindest nach dem offiziellen Tauschkurs der Zentralbank Banco Nacional de Angola, denn auf dem Schwarzmarkt müssen etwa 250 Kwanza bezahlt werden.
Neben dem Verfall der eigenen Währung und dem erschwerten Zugang zu Devisen wird die Lage noch durch die chronisch langsame Abfertigung in den Häfen, die ineffizienten Zollbehörden und die hohen Importsteuern verschlimmert.
Rationierte Lebensmittel
"Vielen Menschen steht die Frustration ins Gesicht geschrieben, da sie nicht die Produkte kaufen können, die sie gerne hätten", schildert Panzo die Situation in Cabinda im Norden des Landes. Die Enklave Cabinda ist durch ihre isolierte Lage an der Grenze zur Republik Kongo und zur Demokratischen Republik Kongo besonders von der Knappheit betroffen. Oftmals würden nur diejenigen an die Produkte gelangen, die entsprechend vernetzt seien, so Panzo. "Die anderen werden von den Angestellten der Supermärkte immer wieder in die Warteschlangen geschickt und müssen anstehen."
In weiten Teilen Angolas haben Supermärkte und Großhändler die Verkaufsmengen begrenzt: Pro Kunde werden nur noch ein Sack Reis, eine Flasche Öl und ein Paket Zucker verkauft. Damit sollen ein Run auf die Produkte und das Entstehen eines Schwarzmarktes verhindert werden.
Vor vielen Supermärkten bilden sich nun im Dunkeln gegen vier Uhr morgens lange Warteschlangen. Teilweise kommt es bei der Öffnung der Geschäfte zu Tumulten, wenn die Massen in die Läden dringen, um möglichst noch etwas zu ergattern.
Verzweiflung und Hunger
In Cabinda sieht der Bürgerrechtler Bernardo Puati Tina sogar einen Anstieg der Kriminalität: "In den vergangenen Tagen sind immer mehr Geschäfte aufgebrochen worden. In allen Stadtvierteln gibt es Diebstähle aufgrund des Hungers - es gibt in Cabinda viel Hunger."
Doch nicht nur die Armen werden von der Krise getroffen. Inflation, Abwertung und Rationierung treffen auch viele Angolaner der neuen Mittelschicht, die sich in den Jahren des Aufschwungs gebildet hat. Sie hat nun Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze und vor dem sozialen Abstieg.
"Wenn das so weitergeht, werden wir noch verhungern", gibt ein Angolaner in der Stadt Benguela im Süden des Landes seiner Verzweiflung Ausdruck. Wie so viele Angolaner hat er bloß einen Wunsch: "Wir wollen nur, dass die Krise endlich vorbei ist."
Mitarbeit: Nelson Sul d'Angola (Benguela), Madalena Sampaio