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Lateinamerika in der Ölschwemme

10. März 2020

Der fallende Ölpreis hat weltweit Börsen erneut auf Talfahrt geschickt. Dabei könnte er wie ein Konjunkturprogramm wirken. Drei Beispiele aus Lateinamerika zeigen, wie verschieden die Auswirkungen sein können.

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Mexiko - Hilfe für Ölkonzern PEMEX
Bild: Reuters/D. Becerril

Inmitten der Corona-Krise dreht Saudi-Arabien den Ölhahn auf. Am Montag ist der Ölpreis daraufhin so stark gefallen wie seit fast 30 Jahren nicht mehr an einem Tag. Und manche Experten sagen, er könnte auf das Niveau der 1990er Jahre fallen. Für manche Länder ist das eine wirtschaftliche Katastrophe, für andere könnte der Ölpreisverfall wie ein Konjunkturprogramm wirken. Drei Beispiele aus Lateinamerika zeigen, wieso.

Venezuela

Das Land besitzt die größten Ölreserven der Welt, spielt aber als Ölexporteur kaum eine Rolle mehr. Zwischen den Jahren 2000 und 2018 hat sich die Fördermenge mehr als halbiert. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die Politik der seit 1998 regierenden Sozialistischen Einheitspartei PSUV, die Investoren vergraulte und gleichzeitig Förderanlagen und Raffinerien verkommen ließ. Und das, obwohl das Land vollkommen abhängig von Erdöleinnahmen ist. Mehr als 90 Prozent der Devisenreserven stammen aus dem Erdöl-Sektor. Und die Regierung braucht dringend Dollars, um die Versorgungskrise einigermaßen in Schach zu halten.

Im Februar 2020 setzte Präsident Nicolás Maduro eine Kommission zur Steigerung der Fördermenge ein, nachdem diese im Januar um ein Drittel unter dem Niveau des Vorjahresmonats lag, berichtet der US-Nachrichtendienst Stratfor. Der Ölpreisrutsch wird es der sozialistischen Regierung nun noch schwerer machen, die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern. Schon vor dem Ölpreisschock unkten Beobachter, dass Venezuela im Laufe dieses Jahres endgültig kollabiert und im Chaos versinkt. Dies ist nun deutlich wahrscheinlicher geworden.

Versorgungskrise in Venezuela spitzt sich zu

Brasilien

Das größte Land Lateinamerikas musste Jahrzehnte lang Erdöl importieren. Dann entdeckte man Anfang der 2010er Jahre ein riesiges Vorkommen vor der Südostküste. Mittlerweile gibt es so viel Erdöl her, dass Brasilien zum neuntgrößten Produzenten der Welt aufgestiegen ist und der Sektor einen Exportüberschuss verzeichnet. Der Anteil des Sektors an der Handelsbilanz ist zwar bedeutend, aber mit 13 bis 14 Prozent nicht dominant. Allein deshalb wird Brasilien der Ölpreisverfall nicht bei weitem nicht so hart treffen wie Venezuela. Zudem hat das Land eine Industrie, die von dem preiswerten Rohstoff profitieren könnte.

Für die Regierung ist der Preisverfall dennoch ein Schlag ins Kontor. Denn der Erdölsektor generiert nicht nur Steuereinnahmen, sondern spült über die Staatsbeteiligung am Ölkonzern Petrobras auch Dividenden in die Staatskassen. Der brasilianische Staatshauhalt droht dadurch zwar nicht, in Schieflage zu geraten, dafür ist der Anteil zu gering. Aber es könnten Gelder für Investitionen in die wirtschaftliche Entwicklung fehlen - dem Staat und dem Erdölsektor Brasiliens.

Mexiko

Im zweitgrößten Land Lateinamerikas sitzen viele Zuliefererbetriebe von US-Unternehmen. Mittlerweile könnte man Mexiko als erstes und bisher einziges Industrieland Lateinamerikas bezeichnen: In einem Ranking des Massachusetts Institute of Technology zur wirtschaftlichen Vielseitigkeit hat das Land die mit Abstand am meisten diversifizierte Wirtschaft der Region und liegt gleichauf mit Italien und Norwegen.

Zwar fördert auch Mexiko bedeutende Mengen Erdöl, es muss aber mehr Erdölprodukte einführen, als es verkauft. Ein sinkender Ölpreis mindert zwar die Einnahmen des Sektors, kommt aber der Volkswirtschaft als Ganzes eher zugute, weil Transport- und Energiekosten sinken.

Deutlich bedrohlicher für die ohnehin schwächelnde Wirtschaft in Mexiko sind wohl der Coronavirus und der Handelsstreit zwischen China und den USA. Sollte die US-Wirtschaft straucheln und dadurch die Nachfrage des nördlichen Nachbarn nach Gütern aus Mexiko sinken, könnte sich das für Mexiko zu einem echten Problem auswachsen.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.