Voll im Trend: Baumwipfelpfade
24. Oktober 2015Als Landmarke ragt der 36 Meter hohe Aussichtsturm des neuen Naturerlebnisparks kantig in den Himmel. Von der obersten Plattform kann man bei klarem Wetter die Spitzen des 50 Kilometer entfernten Kölner Doms sehen. Auf dem weitläufigen Gelände des "Panarbora" wird noch an Details gearbeitet, überall sind kleinere Baustellen. Eröffnet ist Deutschlands jüngster Baumwipfelpfad zwar schon, aber es fehlen noch wichtige Stationen: Der Buchenhecken-Irrgarten gehört dazu, das Höhlenlabyrinth und der Sinnes-Parcour für hautnahes Naturerleben.
Atemberaubende Aussichten
Erlebnispfade hoch oben durch die grünen Wipfel der Baumkronen sind derzeit voll im Trend. Der "Panarbora" im bergischen Waldbröl, enstanden in enger Kooperation mit den heimischen Waldbauern und den Naturschutzverbänden NABU und BUND, ist bereits der 14. Baumwipfelpfad in Deutschland.
Das Besondere: Er gehört zu einer ökologisch ausgerichteten Jugendherberge - der ersten dieser Art in Europa. "Wir haben in anderen Jugendherbergen Zirkuszelte, überdachte Hochseilgärten, Kanu-Stationen und Burgen. Aber das hier ist wirklich einmalig", sagt Kathrin Ahnemann vom Deutschen Jugendherbergswerk. Hier werde zudem naturnahe Ferienfreizeit spielerisch mit Umweltbildung verknüpft.
Auf einem 1600 Meter langen Holzpfad durch den Mischwald im Bergischen Land können die Besucher hier die großartige Aussicht auf die sanften Hügel des "Windecker Ländchens" genießen - in 23 Metern Höhe atemberaubend hoch. Für Stadtmenschen mit leichter Höhenangst ist allein das schon ein Abenteuer. Belohnt wird man auch mit wohltuender Stille.
Mutprobe für alle Altersgruppen
Auf dem Rundweg durch die Baumkronen wird auf dem "Panarbora" auch handfestes Wissen vermittelt. Vor allem Jugendliche, die mehr in digitalen Welten zu Hause sind, sollen hier angesprochen werden. Forstamtsleiter Günter Dieck hat viel Erfahrung mit Naturvermittlung und weiß, wie schwer das ist. "Der Jugendreport von Shell hat ganz klar herausgearbeitet, dass unsere junge Generation sehr weit von der Natur abgerückt ist. Wir wollen versuchen, das hier wieder auszubügeln", sagt er.
Ulrich Diehl, von Haus aus Biologe, hat als Geschäftsführer des ersten Baumwipfelpfades in Deutschland ähnliche Erfahrungen gemacht. 2003 ging er in Fischbach in der Pfalz mit einem Wanderweg durch die Baumkronen an den Start. Wie ein Adlerhorst erhebt sich die Aussichtsplattform 35 Meter über der Landschaft, gestützt von massiven Metallsäulen. Für Jugendliche aller Altersgruppen eine Kraft- und Mutprobe, wer am schnellsten oben ist. "Allein die Höhe ist schon eine Herausforderung", sagt Diehl. "Das ist ein körperliches Erlebnis, dass die Leute verstärkt suchen." Seine Idee stieß damals auf viel Skepsis, inzwischen ist der Baumwipfelpfad längst die Touristenattraktion in der Region.
Traumwelten über den Baumwipfeln
Deutschland hat sich zum Land der Baumwipfelpfade entwickelt. Für ausländische Touristen sind deutsche Buchen- und Eichenwälder, der Schwarzwald, der Märchenwald Spessart und die bewaldeten Grenzregionen der Bayerischen Alpen beliebte Anziehungspunkte. Was die Besucher in den Spazierpfaden durch die Baumkronen aber am meisten anzieht, sei das Freiheitsgefühl dort oben, sagt Torsten Wiegers vom Naturschutzbund NRW. Der Alltagswelt enthoben, so nah an den Wolken zu spazieren, löse Glücksgefühle aus. "Das übliche Stresslevel sinkt deutlich runter. Hier oben in den Baumwipfeln gibt es keine Termine, keine Hektik. Das tut den Kindern genauso gut, wie den Erwachsenen."
Der "Panarbora" in Waldbröl bietet zusätzlich zum Naturerlebnis Wald kleine interaktive Wissens-Stationen - die eher aus Kunstmuseen bekannt sind, als von Naturkundepfaden. Eine junge Familie mit drei Kindern ist ganz begeistert von den Spieletableaus. "Das ist ja cool", sagt der Älteste, als er durch die altmodischen Guckkästen in die versteckten Baumhöhlen der Tiere blicken kann. "Dahinter steckt hochkomplizierte 3-D-Technik und ein ausgeklügeltes digitales Design", erklärt Peter Neudert, der die Ausstellung mit konzipiert hat. Wer möchte, bekommt per App sogar den jeweils passenden Comic aufs Handy gespielt.
Baumkronen und Sternenbilder
Naturinteressierte Touristen können auf den Baumwipfelpfaden in ganz Deutschland auch völlig unterschiedliche Landschaften entdecken - von der Ostsee bis zum Schwarzwald, immer aus der Vogelperspektive. Zu jeder Jahreszeit bietet sich eine andere Aussicht auf die Natur. Auf der Insel Rügen wandern die Besucher durch hoch gewachsene Buchenwälder, die im Sturm der Ostsee-Brandung ganz schief in den Wind gewachsen sind. Hier können Besucher bei Nachtwanderungen auch den Sternen näher sein.
Im Harz wurde im diesem Frühjahr 2015 noch ein weiterer Baumwipfel-Lehrpfad in großer Höhe eröffnet, das benachbarte Luchsgehege bietet da Naturkunde nochmal in anderer Form. Die Rundwege der Baumwipfelpfade sind in der Regel auch für Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen ausgelegt. Die Anlagen sind als Rundwanderwege mit geringer Steigung und rundum Panoramasicht konzipiert.
Der älteste Baumwipfelpfad in Deutschland, im pfälzischen Fischbach, zieht als Touristenattraktion inzwischen mehr als 150.000 Besucher im Jahr an. Von dieser Zahl können die Betreiber des "Panarbora" in Bergischen Land erst einmal nur träumen. Ihre Pläne sind dennoch ambitioniert: Das Deutsche Jugendherbergswerk rechnet mit 80.000 Besuchern im Jahr. Fabian Rubbel ist aus Berlin angereist und begeistert: "Man erfährt so viel über Natur und Waldbewohner - und wie Forstwirtschaft in Zukunft vielleicht betrieben werden muss, damit der Wald mehr davon hat."