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Buchmanieren

21. August 2009

Über Buchsortiersysteme, Literatur-Roboter oder Schriftsteller als Autofahrer: hier schreibt Thomas Böhm Kolumnen aus dem Lesealltag.

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Symbolbild Buchmanieren
Bild: DW

Meine Lieblingsfamiliengeschichte in Sachen Textverarbeitung handelt von meinem Bruder. Der rief mich eines lang vergangenen Tages an und sagte, er habe sich seinen ersten Computer gekauft, verfasse einen Text in Word und habe gerade eine Seite vollgeschrieben – wie käme er jetzt an eine neue?

Unendliche Möglichkeiten

Ich erklärte ihm die Technik und erwähnte dabei, dass der Computer mehr Seiten zur Verfügung hätte als er je voll schreiben könne - damals vor zehn Jahren sicher eine Übertreibung, bei heutigen Festplattengrößen sicher eine Untertreibung. Gehört es doch, so der Soziologe Richard Sennett, zur Kultur des neuen Kapitalismus, dass man Produkte kauft, die mehr Möglichkeiten bieten als der Käufer je nutzen kann.

Nostalgisches Innehalten

Thomas Böhm Programmleiter des Kölner Literaturhauses
Thomas BöhmBild: birgit rautenberg

Noch einen Augenblick in den eigenen vier Wänden bleibend statt auf die Diskursschlachtfelder der Kulturwissenschaften hinauszulaufen, auf denen Friedrich Kittler einst die Entwicklung des "Aufschreibsystems Typewriter" als Ergebnis militärtechnischer Forschung der amerikanischen Waffenfirma Remmington erklärte, erinnere ich mich an meine erste Schreibmaschine der Firma Olympia, die genauso hieß wie meine Mutter – "Monika".

Heute heißen die Maschinen nicht mehr wie unsere Mütter und Großmütter, werden auch nicht mehr in Deutschland hergestellt, sondern in Indien, von wo sie als TWEN T 320 zu uns kommen. Aber auch das wohl nicht mehr lange, der Jahresumsatz an Schreibmaschinen in Deutschland ist auf unter 44.000 gesunken, der von Computern beträgt etliche Millionen.

Was der Computer nicht kann…

Neulich las ich einen Bericht über einen Mann in Berlin-Friedenau, der seit 40 Jahren Schreibmaschinen verkauft und repariert – unter anderem die von Erich Kästner, Uwe Johnson und Günter Grass, der – so war zu erfahren – immer noch auf einer Olivetti-Maschine schreibt.

Genau wie der berüchtigte Mafiaboss Bernardo Provenzano, der 43 Jahre lang nur maschinengeschriebene Anweisungen gab und offensichtlich beim Wort "Morte" - "Tod" - so hart auf die Tasten schlug, dass statt des Buchstabens immer ein o-förmiges Loch entstand - eine Durchschlagskraft, auf die jeder Schreibende nur neidisch sein kann.


Redaktion: Gabriela Schaaf