Überfall auf Polen: "Stumme Zeugnisse 1939"
Private Fotos von Soldaten der Wehrmacht belegen, dass Hitler vom ersten Tag an einen Vernichtungskrieg führte. Skrupel? Mitleid? Fehlanzeige. Bilder einer neuen Online-Ausstellung.
September 1939 aus Wehrmacht-Perspektive
Deutsche Soldaten fotografierten vom ersten Tag an, wie sie den Beginn des Zweiten Weltkriegs erlebten - und welches Leid sie über ihr Nachbarland brachten. Das Berliner "Haus der Wannsee-Konferenz" zeigt auf seiner Website Fotos des Hauptmanns Kurt Seeliger. Seine Bilder und die anderer Soldaten aus dem Projekt "Stumme Zeugnisse 1939" lassen erahnen, wie stark der Vernichtungswille oft war.
Ein getöteter Pole
Die Identität des toten Mannes in Zakościele ist ungeklärt. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein Zivilist. Allerdings lässt die Kleidung vermuten, dass es sich um einen Soldaten handelt. Die Hände scheinen gefesselt zu sein. Möglicherweise wurde das Opfer kriegsrechtswidrig ermordet.
Odrzywół
Ein brennendes Gehöft im Dorf Odrzywół südlich von Warschau. Das Foto wurde wahrscheinlich am 9. September 1939, also gut eine Woche nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, aufgenommen.
Tagebuch
Das Foto-Tagebuch stammt aus dem Nachlass von Woldemar Troebst, der als Kommandeur einer motorisierten Pioniereinheit am Überfall auf Polen beteiligt war. Sein Enkel Stefan Troebst entdeckte das reichlich bebilderte und unmissverständlich kommentierte Album 1996, als sein Großvater schon gestorben war.
"Gesamtoperationen"
Die detaillierten Erläuterungen illustrieren den vermeintlichen Verlauf des Überfalls auf Polen bis Mitte September 1939. Von wem die Karte aus dem Nachlass des Wehrmachtsoldaten Woldemar Troebst stammt und wer die Einträge gemacht hat, ist unbekannt.
Kriegsalltag
Eine zerstörte Brücke, angeblich in ihre Dörfer zurückkehrende Flüchtlinge - Wehrmachtsoldaten auf dem Vormarsch. Die Fotos vermitteln den Eindruck, dass der Überfall auf Polen reibungslos verlief.
Antisemitismus
Es soll locker und witzig klingen, ist aber menschenverachtend und antisemitisch: Auf dem Foto oben rechts lässt sich der Bataillonskommandeur die Stiefel putzen, um damit ein Beispiel "für den Einsatz von Juden zum Arbeiten" zu geben. Der Kommentar verdeutlicht, mit welcher Geisteshaltung Wehrmacht-Soldaten polnischen Juden begegneten.
Körperpflege
Deutsche Wehrmachtsoldaten mit nacktem Oberkörper in einem polnischen Dorf. Auf den Fotos in der oberen Reihe sind der "Chef" und der "Kommandeur" einer Pionier-Einheit zu sehen: "Zwei Häuptlinge rasieren sich nach einem heißen, langen und staubigen Tag." Bild- und Textkomposition sollen wohl bewusst den Eindruck eines ungefährlichen Abenteuers erwecken.
Verpflegung
Das Foto stammt aus dem Tagebuch eines Soldaten des 59. Infanterie-Regiments. Im dazu gehörenden Text ist unter anderem von einer zerstörten Flussbrücke über die Warthe die Rede. Und weiter: "Sonst versorgten wir uns den ganzen Tag über mit Hühnern, Gänsen, Schweinen und sonstigen essbaren Angelegenheiten."
Propaganda
Auf der vorangehenden Seite dieses Eintrags eines Soldaten des 59. Infanterie-Regiments steht: "Ein ungeheurer Flüchtlingsstrom kam uns entgegen, die vor dem polnischen Terror aus der Hauptstadt in die schon von uns besetzten Gebiete eilten. Die Überzahl dieser Flüchtlinge bildeten die für dieses Land unverkennbaren und typischen Kaftanjuden." Aus dem überfallenen Polen wird so ein Land der Täter.
Zwangsarbeiter
Zerstörte Fahrzeuge, kaputte Brücken, tote und leidende Pferde - vor allem aber: Juden, die eine Abfahrtsrampe bauen müssen. Die Zwangsarbeit wird offenkundig als Selbstverständlichkeit beschrieben.
Flüchtlinge
Otto Hardick war 19 Jahre alt, als er mit der 10. Armee in Polen einmarschierte. Der Wahrheitsgehalt der Kommentare zu seinen Fotos ist nicht überprüfbar. Der Wehrmachtsoldat kam kurz vor Kriegsende 1945 in der Nähe von Krakau ums Leben.
Tote "wegräumen"
Josef R. gehörte zu einem Flak-Regiment der deutschen Wehrmacht. Offensichtlich hatte er kein Problem damit, ein Bild von sich selbst (r.) direkt neben dem Foto mit polnischen Todesopfern zu platzieren. Der Kommentar dazu lässt erkennen, welchen Stellenwert Juden in den Augen ihrer Peiniger hatten.
"Juden und Polen"
Der Kommentar des 21-jährigen Wehrmachtsoldaten Josef R. macht deutlich: In seinen Augen sind Polen jüdischen Glaubens keine Polen. Auf dem verpixelten Foto ist ein zweijähriges Kind abgebildet. Der Text darunter scheint Ausdruck eines sonst kaum anzutreffenden Mitgefühls zu sein.