Die Krim hat ein Müllproblem
9. Januar 2009Der Biologe Andrej Artov ist auf einem kleinen Damm im Norden der Halbinsel Krim am See Krasnoje unterwegs. „Der See wird durch den Damm geteilt. Über ihn laufen riesige, rostige Rohrleitungen, die die Schadstoffe einer Sodafabrik direkt in den linken Teil des Sees leiten.
Er schimmert smaragdgrün - wie das Meer auf den Hochglanzprospekten teurer Reiseveranstalter. Seine Ufer sind blendend weiß. „Das Weiß sind Rückstände aus der Produktion, die nach dem Verdunsten des Abwassers zurückbleiben. Die schöne grüne Farbe rührt von den in den Abwässern der Soda-Fabrik enthaltenen Schadstoffen“, erklärt Artov.
Auf dem rechten, angeblich sauberen Teil schwimmt Entengrütze - Enten sind allerdings nicht zu sehen. Es ist totenstill hier.
Übler Geruch und versalzenes Trinkwasser
Unweit des Sees liegt das 200-Seelen-Dörfchen Proletarka. Ein übelriechender Staub weht vom See herüber. Die Bewohner von Proletarka klagen seit Jahren über die schlechte Luft. Vor drei Jahren hätten sich viele Bewohner in einem Brief bei der Fabrik darüber beschwert, sagt Galina Pawlowna. „Dann tauchten auf einmal Leute aus dem Betrieb bei den Unterzeichnern auf. Seitdem schweigen hier alle.“
Es ist nicht nur der Geruch: Das Trinkwasser in Proletarka sei total versalzen, erklärt Artov. „Der Salzgehalt beträgt mehr als ein Gramm pro Liter, das überschreitet alle in der Ukraine zulässigen Grenzwerte.“ Mit diesem Wasser müssten sie nun ihre Pflanzen gießen, sagt Galina Pawlowna. Seitdem wüchsen die Gurken kaum noch und auch andere Pflanzen vegetierten nur spärlich.
Doch: Der Vorsitzende der zuständigen Gebietsverwaltung Krasnoperekopsk, Sergej Kernos habe bislang nicht feststellen können, dass die Schadstoffe in irgendeiner Weise Einfluss auf die Gesundheit der Menschen oder der Landwirtschaft hätten, sagt er. Zwar würden Seen als Auffangbecken für die Abwässer von drei Fabriken zur Herstellung von Soda, Brom und Titandioxid genutzt. Aber: „Alle Seen werden kontrolliert und alle Grenzwerte eingehalten“, sagt Kernos. Dies sei die typische Haltung von Politikern auf der Krim, wenn es um die Umwelt gehe, kritisiert Andrej Artov.
Fehlendes Know-How
Dabei sei nicht nur das Wasser verseucht. Wälder und Gewässer, Straßen und Strände sind übersät mit dem, was die Einwohner und die fast sechs Millionen Touristen im Jahr zurücklassen.
Auf der Krim gibt es bis heute kein funktionierendes System für die Müllentsorgung, keine einzige Müllverbrennungsanlage. In der Ukraine gebe es keine Erfahrungen mit modernen Technologien für die Müllentsorgung, erklärt Alexej Kiseljov, der seit kurzem im Stadtrat von Sewastopol sitzt. „Eigentlich brauchen wir ausländische Unternehmen, die hier investieren. Doch es gibt in unserer Stadt starke Kräfte aus der kommunistischen Zeit, die alles tun, damit Investoren, die nicht aus Sewastopol kommen, hier keine Geschäfte machen können.“
Umdenken gefordert
Auch vor den Toren des berühmten Schwarzmeer-Kurortes Yalta wird der Besucher bei Temperaturen um die 30 Grad erst einmal mit beißendem Geruch empfangen. Wenn wir so weitermachen, könnte statt des berühmten Krim-Sekts schon bald Müllgestank das neue Wahrzeichen von Europas schönster Halbinsel werden, meint ein Passant auf der Uferpromenade. Er sieht das Problem in der Kultur. „Keiner hier ist daran gewöhnt, seinen Müll zu sortieren. Das Wichtigste ist, dass wir alle unsere Denkweise ändern, dass wir nicht hinnehmen, dass jeder Besucher seinen Müll liegen lässt“, sagt er. „Wir müssen begreifen, dass unsere Städte genauso aussehen, wie wir uns benehmen.“