0:0 gegen Schweden - wo steht Spanien?
15. Juni 2021Wo steht Spaniens Nationalmannschaft? Diese Frage stellt sich bereits seit Längerem. Genauer gesagt nach den für den dreifachen Europameister und Weltmeister von 2010 enttäuschend verlaufenen WM-Turnieren 2014 (Aus in der Vorrunde) und 2018 (Aus im Achtelfinale) sowie der EM 2016 (Aus im Achtelfinale).
Doch diese Frage stellte sich noch viel mehr unter akuten Gesichtspunkten. Genauer gesagt nach den jüngsten Ereignissen rund um das nach einem Umbruch stark verjüngte Team von Trainer Luis Enrique im Vorfeld der Fußball-EM. Routinier und Kapitän Serqio Busquets und Verteidiger Diego Llorente waren positiv auf das Coronavirus getestet worden und mussten das Team verlassen, das fortan isoliert im Hotel lebte und nur noch Individualtraining absolvieren konnte. Bei Llorente waren zwar anschließende Tests negativ, dennoch fragte sich nicht nur Luis Enrique: Kann Spanien überhaupt an der EM teilnehmen? Und was, wenn man nicht mehr die von der UEFA vorgeschriebenen 13 Spieler, inklusive einem Torhüter, aufgrund von Infektionen oder Quarantänen zur Verfügung hätte?
Jüngster spanischer EM-Teilnehmer
Enrique nominierte auf Verdacht nach und ließ anschließend sogar weitere U21-Spieler als Reservisten für eine möglicherweise benötigte B-Elf getrennt vom eigentlichen Team trainieren. Plan B2, der temporäre Notumbruch im Umbruch.In jedem Fall hatte die EM-Vorbereitung der Spanier etwas von einem Experiment, einem Planspiel mit mehreren Szenarien - Jugend forsch(t).
Und diese Jugend ist wesentlich unbekannter als vergangene Teams, die mit Stars wie Xavi, Andres Iniesta, Xabi Alonso oder Sergio Ramos zwischen 2008 und 2012 alle drei großen Titel abgeräumt hatten. Doch die große Namen gibt es kaum mehr. Wenige Wochen vor der EM wurde bekannt, dass auch Sergio Ramos nach diversen Verletzungen nicht zum Kader von Luis Enrique gehört. Aus manch einer Richtung wird dem Trainer unterstellt, er würde Spieler von Real Madrid wie Ramos Isco oder Nacho als ehemaliger Barca-Trainer systematisch ignorieren.
Doch auch von Barca haben es nur drei Spieler in Spaniens EM-Kader geschafft. Mit Sergio Busquets musste einer von ihnen wieder abreisen. Blieben sein Stellvertreter Jordi Alba, der das junge Team gegen Schweden als Kapitän anführte und der 18-Jährige Pedro González López - genannt Pedri. Der offensive Mittelfeld-Mann genießt bei Barca-Coach Ronald Koemann, der selbst nicht mehr in der Gunst der meisten in Barcelona steht, bereits einen hohen Stellenwert. Und auch Luis Enrique beorderte Pedri in die Startelf gegen Schweden, was ihn mit 18 Jahren und 201 Tagen zum jüngsten Spanier macht, der bisher bei einer Fußball-Europameisterschaft zum Einsatz gekommen ist.
300 Pässe nach 32 Minuten
Und das offenkundig nicht zu Unrecht. Pedri, zuvor viermal bei Länderspielen zum Einsatz gekommen, war gegen tief stehende Schweden einer der Treiber der spanischen Offensive - Prädikat auffällig. Auffällig war auch die Dominanz von Ball und Gegner, die einst von Spaniens goldener Generation um Ramos, Xavi, Iniesta und Co zur Perfektion getrieben worden war und die man auch Enriques Team an diesem Abend attestieren konnte - vielleicht etwas weniger nah an der Perfektion.
Und auch die Zahlen drückten das klare Übergewicht der Spanier klar aus. Die spanischen Dauergäste im schwedischen Strafraum hatten nach gut 30 Minuten bereits mehr als 300 Pässe gespielt, die meisten davon präzise. Schweden derer hingegen nur 59, was zu diesem Zeitpunkt der bislang mit Abstand niedrigste Wert des Turniers war. Alles gut bei Jugend forsch(t) also. Bis auf die Chancenverwertung.
Alvaro Morata, bei einem Test in Madrid noch ausgepfiffen und jetzt in Sevilla beklatscht, und Gerard Moreno hatten die besten Gelegenheiten, doch auch sie vermochten es nicht, den Ball an Schwedens glänzend aufgelegtem Keeper Olsen vorbeizubugsieren, "Was für ein komisches Gefühl. Wir hatten viele Chancen und sind einfach nicht effizient mit ihnen umgegangen. Wir haben so viele Möglichkeiten kreiert. Aber es gibt Tage, da geht der Ball einfach nicht rein", analysierte Verteidiger Marco Llorente.
Etwas kritischer drückte es im ZDF Spaniens ehemaliger Nationalspieler Fernando Morientes aus. "Der letzte Pass, der fehlt. Man erwartet einfach mehr von Spanien", so der Stürmer, der in seiner Karriere unter anderem für Real Madrid und den FC Liverpool auf Torejagd gegangen war: "Die Leute sehen die Mannschaft kritisch."