Afrika: Mit den USA ins Industriezeitalter
4. August 2014Afrikas Wirtschaft boomt, an Afrika kommt kein Investor vorbei, Afrika ist der Kontinent der Chancen und des unentdeckten Potenzials - solche Schlagzeilen dominieren seit Jahren die westliche Sicht auf den lange für vergessen erklärten Kontinent. In der Tat sind die Zahlen beachtlich: Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft im Schnitt um rund vier Prozent, viele Länder liegen des Kontinents liegen weit darüber. Für das laufende Jahr prognostizieren internationale Organisationen knapp fünf Prozent Wachstum, für 2015 sogar 5,7 Prozent. Eine Milliarde Konsumenten, die jährlich mehr als 600 Milliarden US-Dollar ausgeben, eine Mittelschicht, die sich nirgendwo sonst auf der Welt so schnell entwickelt, schier unerschöpfliche Ölvorkommen und riesige landwirtschaftlich nutzbare Flächen.
An all das wird Barack Obama gedacht haben, als er die Staats- und Regierungschefs von 50 afrikanischen Staaten zum US-Afrika-Gipfel (04.-06.08.2014) nach Washington einlud. Die Erwartungen an das Mega-Event seien auch von afrikanischer Seite hoch, sagt Ayo Johnson. Der Journalist und Gründer des Afrika-Portals "Viewpoint Africa" kommt ursprünglich aus dem westafrikanischen Sierra Leone. Inzwischen lebt und arbeitet er in Großbritannien. "Die Vertreter der afrikanischen Staaten erhoffen sich von dem Gipfel, engere wirtschaftlicher Beziehungen zu den USA zu knüpfen", so Johnson. "Sie wissen, dass es eine riesige Möglichkeit ist und sie zukünftig die Wahl zwischen verschiedenen Investoren haben können - das ist für Afrika eine sehr gute Nachricht."
Bislang investiert vor allem ein Land in Afrika: China. China baut Straßen, China setzt Konsumgüter ab, China kauft Rohstoffe. Das Land ist Afrikas größter Handelspartner, es schlägt die USA um Längen.
Hohe Weltmarktpreise befeuern Aufschwung
Die Rohstoffe sind der Grund, weshalb es seit einigen Jahren für die meisten afrikanischen Staaten wirtschaftlich steil bergauf geht. Die Weltmarktpreise für Öl und Edelmetalle, aber auch für landwirtschaftliche Produkte wie Kaffee, Kakao und Tee, sind hoch. Außerdem hätten viele afrikanische Regierungen ihre Wirtschaft in den vergangenen Jahren gut gemanagt, sagt Stephan Klasen, Professor für Entwicklungsökonomik an der Universität Göttingen. Die Armut gehe deshalb auch allmählich zurück: "Mitte der 90er Jahre lebten noch knapp 60 Prozent der Menschen in Afrika von weniger als einem US-Dollar am Tag. Heute ist das auf 45 Prozent zurückgegangen."
Es hat also Fortschritte gegeben, zumindest ein Teil des Geldes ist bei den Armen angekommen. In Ländern wie Nigeria, die wegen ihres Ölreichtums ein Rekordwachstum verzeichnen, klafft die Schere zwischen Arm und Reich aber immer noch weit auseinander. Das hinge mit den Quellen des Wachstums zusammen, so Klasen. Rohstoffe wie Öl würden von einer geringen Zahl an Personen kontrolliert. "Dadurch entstehen wenige Jobs und es kommt wenig bei den Armen an. Andere Ressourcen wie Kaffee oder Kakao führen zu breiteren Vorteilen in der Bevölkerung."
Kein langfristiges Wachstum ohne Industrie
Spätestens, wenn die Preise für Öl oder Kaffee fallen, könnte es aber vorbei sein mit dem Boom. Denn eine ressourcenbasierte Wirtschaft kann nur in seltenen Fällen langfristig erfolgreich sein. Das südafrikanische Botswana ist so ein Fall: Die Bevölkerung ist klein, die Diamantenvorkommen schier unerschöpflich.
Für fast alle anderen afrikanischen Staaten gilt: Um langfristig erfolgreich zu sein, braucht man Jobs für die stetig wachsende Bevölkerung. Und die gibt es in der verarbeitenden Industrie. In Ländern wie Äthiopien und Kenia ist die Industrialisierung bereits im Gange - internationale Firmen wie das Modelabel H&M lassen inzwischen hier ihre Kleidung nähen. Die USA spielten eine wichtige Rolle in diesem Prozess, sagt Entwicklungsökonom Klasen. Denn seit dem Jahr 2000 gibt es den sogenannten "Africa Growth and Opportunity Act", der afrikanischen Ländern bevorzugten Zugang zum amerikanischen Markt bietet. Industrieprodukte, die in Afrika hergestellt wurden, können zollfrei in die USA eingeführt werden. "Das hat dazu geführt, dass sehr viele Firmen, teilweise auch aus Asien, nach Afrika umgezogen sind und dort für den amerikanischen Markt produzieren", so Klasen.
Die Europäische Union ist da restriktiver: Auf dem Papier besteht zwar ebenfalls eine Initiative, die afrikanischen Produkten zollfreien Zugang zum EU-Markt ermöglicht. Dafür muss allerdings ein großer Teil der Wertschöpfung in Afrika stattgefunden haben: Stoffe aus China importieren und dann in Äthiopien zu T-Shirts zusammennähen reicht da nicht aus. Der amerikanische "Africa Growth and Opportunity Act" ist auch Thema beim US-Afrika-Gipfel. 2015 läuft er offiziell aus, er soll aber erneuert werden. Für die USA und viele afrikanische Staaten ein wichtiger Schritt, um den afrikanischen Wirtschaftsboom in eine nachhaltige Bahn zu lenken.